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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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Energiezufuhr zu benötigen. Mengen, die Elias seinem Körper nicht bieten konnte. Und dafür rächte dieser sich und strafte ihn neben der Übelkeit mit Antriebslosigkeit und schlechter Laune. Wobei letzteres ebenso auf die Tatsache zurückzuführen war, dass ihm die zwei wichtigsten Menschen im Leben fehlten. Nico würde er sich nicht ausliefern, was mit Grund dafür war, weshalb Elias die Uni vorerst schleifen ließ. Zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dort aufeinanderzutreffen. Und seiner kleinen Schwester Ines wollte er erst wieder gegenübertreten, wenn die Wogen in seinem Inneren sich geglättet hatten und er sich sicher sein konnte, dass er wirklich er selbst war.
    Also machte sich Elias nach dem unbefriedigenden Frühstück auf den Weg dorthin, wo er jetzt niemanden antreffen würde, den er kannte: das große Feld am Rande der Stadt, auf dem morgen Abend das Lichterfest stattfinden sollte.
    Die Aufbauarbeiten waren im vollen Gange. Überall auf dem Gelände standen die Veranstaltungstechniker neben ihren altmodischen, mit Firmenlogos bedruckten Kastenwagen und testeten die Stromversorgung der Karusselle, während die Verkäufer ihre kleinen Stände aufstellten und mit Lichterketten schmückten. Alles sah noch recht unspektakulär aus, was sich allerdings ändern würde, wie Elias wusste. Er war im vergangenen Jahr zusammen mit Nico auf dem Fest gewesen, nachdem der die beiden Male zuvor hatte absagen müssen. Heute ahnte Elias den Grund: Wenn leiseste Geräusche das Gehör eines Neuvampirs schon reizten, wie unerträglich musste dann der Tumult auf solch einem Fest sein? Kein Wunder also, dass Nico Elias erst im dritten Jahr hatte begleiten können.
    Sie hatten damals Alkohol mit auf das Gelände geschmuggelt und sich inmitten der vielen Lichter betrunken. Zumindest war Elias davon ausgegangen, dass nicht nur er selbst betrunken gewesen war; so genau konnte er es heute beim besten Willen nicht mehr sagen. Jedenfalls war das gigantische Feuerwerk um Punkt Mitternacht im berauschten Zustand ein herrliches, verschwommenes Farbenmeer gewesen …
    Wehmütig dachte Elias an diesen Moment zurück. Nico und er hatten auch dieses Jahr vorgehabt, auf das Fest zu gehen. Nun war ihr Treffen in weite Ferne gerückt. Und das nur, weil Elisabeth und Melchior behaupteten, keine Lösung für die Beendigung der Gefühlsleserei finden zu können. Elias hielt dies für eine Lüge. Er wusste nicht, wie er zu dieser Erkenntnis kam, aber so war es. Ohne einen Beweis jedoch konnte er die zwei Nico gegenüber nicht schlecht machen. Das würde keine Wirkung zeigen, zumindest nicht die erwünschte. Wahrscheinlich käme er bloß wie ein unreifes Kind rüber, das auf die Freunde seines Schwarms eifersüchtig war. Und so blieb Elias nichts anderes übrig, als tatenlos auf den nicht absehbaren Fortschritt zu warten …
    Die Lichter auf dem weiten Feld wurden im Zuge eines Testlaufes eingeschaltet und blendeten ihn. Aber, als sei es ein Wink des Schicksals, ging zeitgleich auch ihm ein Licht auf: Wer sagte, dass er nur tatenlos warten konnte? Warum sollte er nicht selbst zur Kirche gehen und nach dem Stand der Dinge fragen? Um Antworten bitten? Wenn er nicht bald verhungern wollte, würde Elias ohnehin über kurz oder lang zum Friedhof müssen, um nach einer weiteren Flasche Blut zu bitten.
    Das Rumoren seines Magens ließ keine Bedenken zu und trieb Elias wenige Sekunden später in Richtung Friedhof. Die Sonne hatte sich bereits verabschiedet und war hinter dem Horizont verschwunden. Dunkle Wolken dominierten den Himmel und ihr kaltes Erscheinungsbild ließ Elias erzittern. Zum Glück war es kein langer Weg. Bald erreichte er die ersten Gräber.
    Gedankenverloren tastete Elias nach der Stelle an seinem Hals. Die Wunde an seinem Hals war längst nicht mehr zu spüren. Er dachte an den Biss zurück. Nico hatte sich so viel Mühe gegeben, diesen intimen Augenblick zu einem besonderen werden zu lassen. Er war mit ihm hierher gekommen – an den Ort, der Elias schon so lange faszinierte. Nico hatte sich Zeit genommen, hatte diese Nacht der Vereinigung zu einer wundervollen machen wollen. Wie sehr wünschte Elias sich nun, diesen unwiederbringlichen Moment nicht derart vergeudet zu haben …
    Er stieg die Stufen zum Kircheneingang hinauf und die Sehnsucht nach Nico wurde noch größer. Nicht nur, weil er Melchior und Elisabeth nicht alleine gegenübertreten wollte, sondern auch, weil er Nico nach ihrem Besuch hier das letzte Mal gesehen hatte.

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