Blutige Küsse und schwarze Rosen
Elisabeth und Melchior ihre Tage verbracht hatten. Aber auf einmal kamen ihm die durchgelegenen Sprungfedermatratzen seltsam einladend vor und kaum hatte er sich auf einer davon niedergelassen, driftete Elias langsam in eine herrliche Mattheit ab. Kurz bevor sich der Nebel komplett über ihn gelegt hatte, fragte er nuschelnd: „Wie hast du mich überhaupt gefunden? Auf dem Friedhof … vorhin …“
Nicos entfernte Antwort malte ein seliges Lächeln auf Elias’ Lippen.
„Ich habe von dir geträumt. Und als ich daraufhin aufwachte, spürte ich, dass du in Gefahr bist. Dass du Angst und Schmerzen hast. Mein Gefühl hat mich zu dir geführt. Unsere Verbundenheit scheint stärker zu werden. Wobei ich dich selbst ohne sie überall finden würde.“
Kapitel 13
C ORNROWL
Der schmale Lichtstrahl, der durch die Deckenöffnung fiel, verriet Elias, dass er eine ganze Weile in der Welt der Träume verbracht hatte. Es musste inzwischen Abend sein, da die Sonne bloß noch schwach in die Kirche drang. Trotzdem war es noch immer viel zu früh, um die Krypta zu verlassen.
Gähnend streckte er die Arme von sich, als sein Handrücken etwas streifte: Nico lag mit dem Rücken zur Wand neben ihm – das Gesicht ihm zugewandt. Er musste über Elias hinweg geklettert sein, um zu der zweiten, freien Matratze zu gelangen. Und obwohl Elias im Schlaf davon nichts mitbekommen hatte, durchzog bei dem bloßen Gedanken an diesen Akt eine unwillkürliche Erregung seinen Magen.
Lautlos drehte er sich seinem Freund zu und stützte sich seitlich auf den Ellenbogen hoch, um ihn besser ansehen zu können. Er war zwar bereits einmal an Nicos Seite erwacht, doch hatte es Elias keine Minute neben ihm ertragen, ohne sich dabei miserabel zu fühlen. Nun breitete sich die Gewissheit darüber, dass Nico sich zu ihm gelegt hatte, wohltuend in Elias aus.
Gedankenverloren betrachtete er das schlummernde Antlitz. Die Verbrennungen durch die Sonne, die einen Teil von Nicos Gesicht noch am Morgen überzogen hatten, waren inzwischen fast restlos verschwunden. Lediglich stellenweise erinnerten blass-orange Flecken daran. Aber selbst diese konnten Nicos Schönheit nicht nehmen. Nichts konnte das – nicht einmal die Jahre, in denen Elias sich das Gesicht seines Freundes so gut wie sein eigenes eingeprägt hatte. Elias kannte jedes noch so kleine Detail darin und fand es nach wie vor atemberaubend. Er liebte die zarten und zugleich männlichen Züge, liebte die hohen Wangenknochen und die gerade Nase mit ihren kleinen Flügeln. Darunter die weich geschwungenen, seidigen Lippen, die die Farbe von Pfirsichen hatten … Nicos geschlossene Lider verbargen seine faszinierend grünen Augen und bogen die ohnehin formschönen Wimpern nach oben. Sie waren viel dunkler als die weißblonden Haare, die das perfekte Gesicht wie eine kunstvolle Zeichnung rahmten. Perfekt bis hin zu der feinen, farblosen Narbe über Nicos gepiercter Augenbraue, die aus der Zeit vor seinem Vampirdasein stammen musste, da sie andernfalls längst verheilt wäre.
Elias fragte sich, ob die Verwandlung Nico äußerlich verändert hatte – so, wie man es immer in Filmen sah und in Büchern las. Überall hieß es, dass die Menschen mit Beginn der Vampirinfektion an Schönheit und Eleganz dazu gewannen. An sich selbst aber hatte Elias bislang keine sichtbaren Veränderungen feststellen können, und ob Elisabeth und Melchior ihre oberflächliche Schönheit schon zuvor besessen hatten, wusste er nicht. Und anderen ihrer Art war er, seines Wissens nach, noch nicht begegnet.
Ein Blitz durchzuckte ihn bei diesem Gedanken und ließ Elias hochfahren. Stocksteif saß er auf der Matratze und starrte auf die Bücher mit den Aufzeichnungen. Sein Atem beschleunigte sich und durch die Aufregung überkam ihn ein kleiner Schwindelanfall.
Andere seiner Art …
„Elias …?“
Hinter ihm knarrten die Sprungfedern, als Nico sich aufrichtete.
„Was ist los?“
„Erwähnten Elisabeth oder Melchior dir gegenüber jemals andere Vampire?“
Es verging eine Weile, bis Nico antwortete: „Nein, nicht direkt. Sie haben keine Namen genannt. Wenn sie etwas erzählt haben, war das eher allgemein. Warum fragst du?“
„Vielleicht kannten sie andere unserer Art und haben dich bloß von ihnen ferngehalten“, sagte Elias hektisch und erhob sich von der Matratze. „Vielleicht hättest du sonst Dinge erfahren, die Elisabeth und ihrem Schoßhündchen in die Quere gekommen wären!“ Er kniete sich neben den
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