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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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Wahl!“
    „Das tut nichts zur Sache. Es war auch damals Notwehr, als der Fluch sich auf Elisabeth und Melchior legte. Jedenfalls sagten sie das und ich habe ihnen geglaubt … Inzwischen bin ich mir da nicht mehr so sicher.“ Nico ließ den Blick durch die schäbige Krypta schweifen. Er betrachtete die kahlen, abgenutzten Matratzen, die feuchten Wände. „Und nun werde ich so leben müssen, wie sie es über Jahre hinweg getan haben. Wie ein Schatten. Gefangen. Nicht existent.“
    „Vielleicht lässt sich dieser Fluch ja aufheben?“ Elias schob den Gedanken an die Tatsache beiseite, dass Nico ihm nie von Elisabeths und Melchiors Fluch erzählt hatte. Womöglich war nach dem misslungenen Kennenlernen einfach nie der richtige Zeitpunkt gekommen, es zu erwähnen. „Vielleicht gibt es einen Weg, ihn rückgängig zu machen? Hier …“ Er erhob sich und ging zu den verstreuten Büchern nahe der Schlafstätte. „Das sind ihre Aufzeichnungen. Irgendwo muss doch geschrieben stehen, wie sich das alles wieder …“
    „Glaubst du denn, die zwei hätten mit diesem Fluch gelebt, wenn sie ihn hätten aufheben können?“
    Elias hielt inne. Ein sachter Luftzug streifte seinen nackten, gefolterten Oberkörper. „Und wenn sie genau das versucht haben?“ Seine Augen richteten sich auf das Loch in der Decke, durch die der frische Windhauch kam. „Heute Nacht?“
    „Du meinst das Ritual?“
    „Ich würde ihnen mit meinem Tod große Freude bereiten, hatte Elisabeth gesagt. Vielleicht sollte ihnen das Ritual Freiheit bringen?“ Elias trat von den Büchern weg und direkt unter den Eingang zur Krypta.
    „Nein, warte“, wandte Nico ein und legte verzweifelt die Stirn in die Hände. „Selbst wenn es so wäre … Das ist keine Option. Ich werde niemanden abschlachten.“
    Elias schenkte den letzten Worten keine Beachtung mehr. Er hatte bereits zum Sprung angesetzt, ging in die Knie und stieß sich mit letzter Kraft vom Steinboden ab.
    Als er oben im Kirchenschiff landete, hörte er Nico nach ihm rufen. Aber Elias war längst auf dem Weg nach draußen.
    Die Sonne hüllte den Friedhof in helles Morgenlicht, als Elias auf den Stufen vor dem Eingang der Kirche stand und zu der Stelle blickte, an der Elisabeth und Melchior ihn gefesselt hatten. Inzwischen waren alle Kerzen erloschen und die laue Brise, die über die Grabstätte strich, wirbelte die Vampirasche wie einen grauen Dunstschleier durch die Luft.
    Trotz der angenehmen Temperatur lief ein Schauer Elias’ Rücken entlang. Die Erinnerung an vergangene Nacht lähmte ihn beinahe und alles in seinem Inneren flehte ihn an, kehrt zu machen. Sich von dem Ort fernzuhalten, an dem die Überreste der toten Körper in die Höhe getragen wurden. An dem ihre Herzen noch weitergeschlagen hatten … Doch Elias widersetzte sich diesem Drängen und Bitten. Denn so lebhaft sich die Bilder dieser grauenhaften Momente auch vor sein geistiges Auge schieben mochten; sie gehörten der Vergangenheit an. Nico hingegen kauerte in genau dieser Sekunde eingepfercht in einem Raum unterhalb der Kirche. Und allein die Vorstellung, dass das Leben seines Freundes nun auf ewig von Dunkelheit beherrscht werden sollte, jagte Elias mehr Angst und Wut ein, als es die Geschehnisse der vergangenen Nacht jemals hätten tun können.
    Entschlossen ließ er sich von seinen Beinen die Stufen herab und über den Friedhof tragen; vorbei an Gedenksteinen und Statuen, die lange, garstige Schatten über die geweihte Erde warfen. Unweit des blutverschmierten Messers und einem Stück Stoff, das einst ein Shirt gewesen war, lag das aufgeschlagene Buch. Die angekohlten und mit Asche durchzogenen Seiten wehten im Wind vor und zurück.
    Darauf bedacht, keine weiteren Blätter zu beschädigen, nahm Elias das Schriftstück an sich und kehrte zur Kirche zurück. Erst als er sich wieder im Mittelgang zwischen den alten Holzbänken vorfand und erlöst ausatmete, fiel ihm auf, welche Anspannung ihn auf dem Friedhof erfüllt hatte – welche Macht die gestrigen Ereignisse auf ihn ausübten. Aber diese Last konnte und wollte Elias nicht mit zu Nico in die Krypta tragen.
    Erst als er jeglichen Rest des nagenden Unbehagens abgelegt hatte, begab er sich durch die Bodenluke zu seinem Freund, der nach wie vor dort saß, wo er zurückgelassen worden war, die Augen starr auf ein Buch geheftet, das er nun in Händen hielt. Nico sah nicht einmal auf, als Elias sich an seiner Seite niederkniete. Stattdessen las er ihm laut aus den

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