Blutige Küsse und schwarze Rosen
einziger roter Tropfen mehr haftete. Die Lache um Elias herum war sein eigenes Blut. Viel Blut. Es hatte seine Kleidung getränkt und sich zu einer kleinen Pfütze am Boden gesammelt.
„Ich hatte ihr gesagt, dass ich keine Lügen dulde.“
Schwarze, von Apollineas Überresten verschmutzte Schuhe tauchten in Elias’ Blickfeld auf.
„Ich sagte es ihr mehrmals. Dennoch versuchte sie seit Monaten wieder und wieder, mich zu hintergehen. Sie dachte, es würde mir nicht auffallen.“ Sânge seufzte. „Schade um die gemeinsamen Jahrzehnte. Nicht zu fassen, dass sie die Offenbarung meines kleinen Geheimnisses in Kauf nahm, nur um dich zu beseitigen.“
Mit einem achtlosen Fußhieb wurde das Herz aus dem Weg befördert und Elias unsanft auf die Beine gezogen. In seinem Kopf drehte sich alles. Der allmählich von ihm weichende Schock brachte ihn zum Würgen, doch sein leerer Magen gab nichts her.
„Hier lang“, befahl Sânge und schob ihn aus dem Zimmer in das Schlafgemach, welches ebenfalls in den kleinen Flur mündete.
Ein majestätisches Himmelbett bildete den Mittelpunkt dieses großen, loftartigen Raumes, in dem sattes Rot und tiefes Schwarz bei der Farbgebung dominierten. Schwarze Vasen mit roten Rosen standen überall verteilt und selbst die offene Eckbadewanne im hinteren Teil war mit glänzend schwarzen Kacheln im Mosaikeffekt verkleidet, die im Schein der überall aufgestellten Kerzen schimmerten.
Trotz der eben durchlebten Höllenmomente fiel ein beträchtlicher Grad an Anspannung von Elias ab, sobald er die finstere Kammer hinter sich gelassen hatte. Es war, als sei er dem festen Griff einer unsichtbaren Hand entkommen, die ihm jeden Atemzug erschwert und die Sinne vernebelt hatte.
Völlig kraftlos durch den enormen Blutverlust sank er auf seine Knie und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Schrank mit Spiegelfronten. Die Kleidung klebte an seinem Körper und die Asche brachte seine Augen zum Tränen. Seine nur langsam verheilenden Wunden brannten.
Wortlos schloss Sânge die schwere mit Leder bezogene Tür hinter ihnen und holte zwei Flaschen aus einer hohen Dunkelholzkommode, mit denen er sich zu Elias niederließ.
„Die wird Apollinea ja nicht mehr brauchen“, meinte er und hielt ihm das metallisch duftende Blut an die Lippen. „Trink.“
Widerstandslos begann Elias, den dickflüssigen Saft in gierigen Schlucken zu sich zu nehmen. Er war zu geschwächt, um auch nur selbstständig die Flaschen zu halten, und leerte sie nur mit Sânges Hilfe bis zum letzten verbliebenen Tropfen. Sofort zeigte das Blut seine ersten Wirkungen. Der Schwindel in seinem Kopf nahm ab, sein Blick wurde klarer und schärfer. Aber noch immer ließen ihn der Schock und die unbändige Angst zittern.
„Warum hast du das getan?“, wollte er leise wissen. „Warum war dir mein Überleben wichtiger als ihres?“
Sânge sah an sich hinunter und klopfte nachdenklich die Asche von seinem Leib.
„Ist dir klar, was Apollinea zu dieser dummen Tat getrieben hat?“, fragte er, scheinbar ohne einen Zusammenhang. „Es war Eifersucht. Eine Gefühlsregung, die ich bis dahin nicht von ihr kannte. Noch nie hatte Apollinea meine gelegentlichen Liaisons als Bedrohung angesehen. Du hingegen brachtest sie zur Weißglut. Sie muss gemerkt haben, dass mir an dir noch weitaus mehr liegt, bloß hat sie dies bedauerlicherweise falsch gedeutet: Ich begehre dich nämlich nicht nur als kurzweilige Liebschaft, musst du wissen. Nur konnte ich nicht riskieren, dass dies jemand erfährt und mein Vorhaben zunichtemacht.“
„Vorhaben …?“, hauchte Elias. Eine unheimliche Erkenntnis breitete sich in seinem Inneren aus. „Dann hatte Nico die ganze Zeit über recht? Du willst uns nicht grundlos hierbehalten …“
„Ja, dein Freund ist bereits zu lange ein Vampir, als dass ich seinen Geist so hätte kontrollieren können wie deinen. Es erfordert viel Zeit und Kraft, bis ein Vampir mir derartig gehorcht, wie meine Untertanen es tun. Zeit, die ich bei Nico nicht zur Verfügung hatte. Ich ahnte von Anfang an, dass er und sein Einfluss auf dich meinen Plan erschweren würden. Du hingegen bist noch voller menschlicher Schwächen und meiner Macht somit einfach nicht gewachsen.“ Ein schiefes Grinsen zeichnete sich auf Sânges Gesicht ab, als er Elias durch das rabenschwarze Haar fuhr. „Weshalb sonst fühltest du dich sofort wohl in unserer so fremdartigen Mitte? Weshalb kehrtest du deinem Liebsten den Rücken, um zu mir zurückzukehren, und warum
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