Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
Vom Netzwerk:
fahlen, kalten Schein eines Vollmondes erhellt war. Inmitten der hohen Bäume kauerte eine Frau am Boden. Sie trug keine Kleidung, wirkte verängstigt und gepeinigt. Ihr Gesicht war blass, schmerzverzerrt und zugleich atemberaubend schön. Die Hände zu einem Gebet gefaltet, sah die Frau in den sternenklaren Himmel. Nur sollte sie nicht erhört werden, erinnerte sich Elias, als er die Bildunterschrift entdeckte: Die Verbannung der Nalmiha .
    Das war also ihre Göttin, überlegte er. Die Mutter aller Vampire. Und damit ebenso seine … Wie Nalmiha wohl vor ihrem Fall ausgesehen hatte? Ob ihre Aura vor Anmut und Vollkommenheit pulsiert hatte? Hatte sie solch eine Macht ausgestrahlt wie Sânge? Oder womöglich sogar mehr?
    Ein eigenartiges Gefühl der Ehrfurcht beschlich ihn. Es gab noch so vieles, das er und Nico über die Entstehung ihrer Art erfahren konnten. Und wer, wenn nicht Sânge, sollte sie dies alles lehren? Er war der vielleicht weiseste und fähigste Vampir, dem sie je begegnen würden. Sicher würde Nico schon noch begreifen, dass sie ihm jetzt nicht den Rücken kehren konnten.
    Schwermütig riss sich Elias von dem Gemälde los und schritt weiter den Korridor entlang, bis ihm ein nur angelehntes Bogentor aus Eisenstäben den Weg versperrte. Ein Blick hindurch verriet, dass sich jenseits davon zwei Türen befanden. Die eine lag dem Tor direkt gegenüber. Sie war geschätzte drei Meter hoch und vollkommen mit Leder bezogen. Die andere war eine niedrige, sehr schmale Holztür links vom Durchgangstor und schien eher zu einem Abstellraum zu gehören. Da nur diese einen Spalt weit geöffnet war, entschied Elias, dass Sânge in dem dahinter liegenden Zimmer auf ihn warten musste. Er öffnete den eisernen Durchgang und betrat den überschaubaren Flur mit seinen zwei Pforten.
    „Sânge …?“, fragte er leise, um sich anzukündigen. Er erhielt keine Antwort.
    Zögernd legte Elias eine Hand auf die hölzerne Türklinke und verweilte so einen Moment lang unschlüssig. Irgendetwas in ihm weigerte sich strikt, auch nur einen Blick ins Innere des Raumes zu werfen, wo schließlich nicht einmal das Flackern von Feuer darauf hinwies, dass sich jemand dort aufhielt. Aber trotz Sânges offensichtlicher Abwesenheit und obwohl es vielleicht klüger war, einfach wieder kehrtzumachen und ihn an einem anderen Ort zu suchen, drängte Elias etwas dazu, sich hineinzustehlen. Es war nicht die bloße Neugier, zu erfahren, was sich noch alles in dieser einzigartigen, unterirdischen Wohnstätte verbarg. Viel mehr trieb Elias eine unsichtbare Anziehungskraft, ein tief im Unterbewusstsein keimendes, unerklärliches Gefühl dazu, durch die unscheinbare Tür zu treten. Und dieses Gefühl gewann letztlich.
    Trotz der vielen Verwinklungen und von seinem Standpunkt aus uneinsehbaren Ecken, erkannte Elias sofort, dass das Zimmer kleiner war und überhaupt gar nichts von dem luxuriösen und reichen Ambiente hatte, das jenseits seiner Mauern vorherrschte. An Boden und Decke sowie scheinbar allen Wänden prangte dasselbe großflächige, in Stein gehauene Ornament, das lediglich von dem fahlen Lichtschein des Korridors erhellt wurde. Elias hatte nie zuvor etwas dergleichen gesehen, doch spürte er die Kraft des geschwungenen, ineinander verflochtenen Zeichens. Es erzählte von toten Seelen, Willenlosigkeit und Trance.
    Ein erdrückendes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, das, je länger er die Ornamente betrachtete, mit jeder Sekunde unerträglicher wurde. Das Symbol zog all seine Aufmerksamkeit auf sich, lockte ihn weiter in Richtung Zimmermitte, schnürte ihm die Luft ab und saugte jedes Quäntchen Freude aus seinem Geist.
    Es war ein rasselndes Geräusch, das Elias die Nackenhärchen aufstellte und ihn erschrocken hochschauen ließ. Er tat einen weiteren Schritt vor und sah mit angehaltener Luft um die Ecke, starrte wie gebannt in den zunächst unsichtbaren Teil des Zimmers.
    Stählerne Ketten waren entlang der gesamten Steinwand befestigt. Sie hingen schwer zu Boden, erreichten diesen aber nicht – endeten stattdessen in rostigen Fesseln, die um mehrere Dutzend aufgeschürfter Handgelenke geschlossen waren.
    Entsetzt keuchte Elias auf, als sein Blick auf die abgemagerten Menschen fiel. Es waren Sterbliche, dem Tod näher als dem Leben. Ihre Augen wirkten vollkommen ausdruckslos und trüb. Die Leiber waren nackt, nur von Wunden, Kratzern und Bissen bedeckt. Unzähligen Bissen.
    Röchelnd humpelte eine der Gestalten auf Elias zu. Es

Weitere Kostenlose Bücher