Blutige Küsse und schwarze Rosen
genießt du meine Anwesenheit, meine Berührungen und Blicke …? Einzig und allein weil ich es will. Denn wenn du bleibst, bleibt praktischerweise auch Nico.“
„Nico ist gegangen“, erwiderte Elias hektisch und hoffte inständig, dass dies stimmte. Er würde es sich nie verzeihen können, wenn sein Freund wegen ihm in Gefahr geriet. Lieber würde Elias mit dem Wissen leben, dass Nico ihn im Stich gelassen hatte. Hauptsache, er war in Sicherheit. „Er ist weg und kommt nicht wieder. Du wirst die Angelegenheit mit deiner Schwester also ohne ihn …“
„Wage es nicht, von ihr zu reden!“, grollte Sânge und erbebte vor Zorn. „Oder du wirst es bitter bereuen!“
Eine unsichtbare Welle peitschte gegen Elias’ Körper. Es war wie ein heftiger Windstoß – doch mit solch einer negativen, niederschmetternden Energie geballt, dass es ihm blanke Panik und beinahe unerträgliche Schmerzen durch jeden Nerv sandte.
„Und was deinen Nico anbelangt … Wir wissen beide, dass er schon sehr bald hier aufkreuzen wird.“ Sânges Augen waren zu kleinen Schlitzen verengt, als er flüsternd fortfuhr: „Ihr hättet es geheim halten können, so gut es nur geht, dennoch, ich weiß von eurer Verbindung. Dass er spürt, was du spürst … Lediglich die Wandornamente des Nebenzimmers haben es bislang verhindert, dass deine Gefühle hinausgetragen werden konnten. Schließlich würde ich mich andernfalls ständig mit der kümmerlichen Energie der dort Gefangenen nähren, wäre der Raum nicht nach außen abgeschirmt. Nun allerdings kann Nico dein Leid, deinen Schmerz und die Furcht in dir erneut empfangen. Das bedeutet, er wird demnächst auf dem Weg hierher sein … Und bis dahin bleibt uns beiden noch ein wenig Zeit. Immerhin steht die Sonne inzwischen über dem Horizont.“
Mit einer einzigen Handbewegung riss er Elias’ Shirt entzwei und streifte es ab, wodurch er die verkrustete Verletzung freilegte. „Und nun sei ein guter Junge und zieh dich aus. Ich lasse dir Wasser in die Wanne ein.“
Ein eisiger Luftzug ließ Elias frösteln, als Sânge sich erhob und wegtrat. Sein ganzer Körper war mit Angstschweiß benetzt sowie von Blutspritzern und Hautfetzen bedeckt. Aber all dies war nicht erwähnenswert im Vergleich zu dem Gefühl, das sich in seinem Inneren ausbreitete …
Es war alles seine Schuld. Wegen ihm hatte Nico den Mord an Elisabeth und Melchior begangen und dadurch den Fluch auf sich gezogen. Wegen dem hatten sie überhaupt hierher kommen müssen. Und wegen ihm würde Nico jetzt hierher zurückkehren, da er, Elias, seinem Freund nicht geglaubt hatte und nicht mit ihm fortgegangen war.
Mittlerweile musste Nico die Not spüren, in der Elias sich befand. Das Grauen in ihm … so wie in jener Nacht auf dem Friedhof. Der Nacht des Rituals. Und auch heute würde Nico sich für ihn in Gefahr begeben. Er würde wieder und wieder mit ihm leiden, solange er zu Elias’ Gefühlen Zugang hatte.
Doch was, wenn dies nicht mehr der Fall war? Wenn Elias nichts mehr fühlen oder denken würde?
Es war die einzige Lösung.
Nur der Tod konnte all dem ein Ende setzen. Er allein war der Ausweg. Mit Elias’ Tod wäre sein Freund frei und könnte fliehen, ohne zurückzusehen. Und ebenso wäre Elias’ Geist, der zu schwach war, um sich Sânges Willen zu entziehen, endlich frei.
Krampfhaft darum bemüht, nicht an seine weinende kleine Ines zu denken, die Abend für Abend neben dem Telefon sitzen und auf seinen Anruf warten würde, suchte Elias eilig das Zimmer ab. Sein Blick fiel auf die geleerten Glasflaschen, mit deren scharfen Scherben er sich als Sterblicher hätte durchaus Schaden zufügen können. Heute würde diese Art von Wunden dagegen binnen Sekunden verheilen. Genug Kraft, um einen Balken des Himmelbettes herauszubrechen und sich damit das Herz zu durchstoßen, hatte er trotz des eben getrunkenen Blutes noch nicht wiedererlangt. Und auch sonst schien der Raum nichts herzugeben, mit dem er sich mehr als nur würde verletzen können. Abgesehen von Sânge. Allein die körperlose Wucht seines vorherigen Wutausbruches hatte Elias pure Qualen leiden und ihn Schmerz und Verzweiflung fühlen lassen. Er war das Gefährlichste in diesem Raum.
„All deine Macht und dein Hass haben damals schon Filanessia dazu getrieben, sich gegen dich zu wenden.“ Elias brachte nicht mehr als ein Flüstern hervor. Seine Stimme war schwach. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen an seine eigene Schwester. Doch wenn Sânge Filanessia je so
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