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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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vorgetreten kamen zwei groß gewachsene, sich sehr ähnlich sehende Männer mit orangeroten, kurzen Locken. Es waren vermutlich Zwillinge.
    „Spürst du das ebenfalls?“, wandte sich einer von ihnen an Naferia. „Diese Leere in dir? Als ob jemand einen entscheidenden Teil unserer Selbst genommen hätte …“
    „Wir müssen umgehend mit Sânge sprechen“, fügte der andere hinzu. „Weißt du, wo er ist?“
    Für einen quälenden, wenn auch winzigen Moment glaubte Elias, Naferia würde einknicken und in ihrer Panik alles preisgeben. Doch bewies sie, dass in der zierlichen jungen Frau weitaus mehr Kühnheit und Courage steckte, als man ihr ansehen konnte.
    „Selbstverständlich spüre ich das!“, erwiderte sie mit einem Hauch von Hohn – vielleicht um ihre Nervosität zu überspielen. „Und ich kann euch versichern, dass ihr nicht beunruhigt sein müsst: Dieses Gefühl wird von den neuen Abwehr- und Schutzzaubern hervorgerufen, die Sânge gerade draußen durchführt. Sobald diese stehen, läuft alles seinen gewohnten Gang. Kehrt einfach zurück auf eure Zimmer und habt ein wenig Geduld.“
    Fast hätte Elias erleichtert aufgeatmet. Naferia kam derartig natürlich und überzeugend rüber, dass er selbst ihr auf der Stelle geglaubt hätte. Nicht so die rothaarigen Brüder.
    „Und wo geht ihr hin?“, wollte der erste mit beißender Stimme wissen und baute sich vor Naferia auf, als diese Anstalten machte, sich an ihm vorbeizuschieben. „Zumal mit den Büchern? Keiner von uns ist befugt, die Schrift der Nalmiha oder eines der anderen Werke anzufassen!“
    Dies war der entscheidende Satz. Der Satz, bei dem sich jeder der anwesenden Vampire der Unterhaltung zudrehte und Naferia, Nico sowie Elias anstarrte. Schweigend. Ihre Musterungen aber sprachen Bände.
    „Diese Bücher wünscht Sânge zu sehen.“ Naferias Grollen hallte an der hohen Zimmerdecke wider und Elias bildete sich ein, dem Echo eine Spur von Angst anzuhören. „Wie du dir hoffentlich denken kannst, ist es selbst einem so mächtigen Herrn wie ihm nicht möglich, jeden Bann und jeden Zauber auswendig zu wissen! Und da er mich mit der Aufgabe beehrt hat, diese Texte zu holen, werde ich sie ihm jetzt bringen. Es eilt nämlich.“
    Gerade wollte sich Naferia zwischen den ihr im Weg stehenden Männern hindurchwinden, da legte ihr einer der Brüder unsanft eine Hand auf die Schulter und hielt sie zurück.
    „Wir gehen mit euch“, knurrte er entschieden. „Sânge persönlich soll uns dies sagen.“
    Ein weiterer Moment der Stille trat ein. Ein unerträglicher Moment. Schlimmer als die vorigen.
    Sie würden auffliegen, schnellte es Elias durch den Sinn, während er die unzähligen Blicke fühlte, die sich brennend auf seiner Haut bemerkbar machten.
    Sie waren von den Vampiren umzingelt.
    Es gab keinen Weg aus ihrer Mitte.
    „ Nein. “
    Wie ein Blitz schnitt diese eine Silbe durch den Raum. Die Luft schien zu erbeben. Zu erbeben von Naferias Wut, ihrer Autorität.
    „Ihr alle – alle! – zieht euch sofort in eure Schlafgemächer zurück!“, befahl sie erzürnt, und Elias fragte sich, ob auch die anderen die energiegeladenen Luftstöße fühlen konnten, die von Naferia ausgingen. Ob auch die anderen das diamantengleiche Funkeln in ihren tiefschwarzen Pupillen sahen.
    Denn keiner von ihnen startete einen weiteren Versuch, sich Naferia zu widersetzen. Einzeln verließen sie mit ausdruckslosen, tranceartigen Gesichtern die Halle durch die Korridore – zuletzt die rothaarigen Brüder.
    Es war kein Austausch von Zeichen oder Worten nötig, um zu wissen, was als Nächstes zu tun war: Sie rannten einfach los.
    Rannten, ohne zurückzusehen.
    Rannten durch die bogenförmige Holztür, die in den schmalen, feuchten Tunnel und ins Freie führte.
    Rannten um ihr Leben.
    ***
     
    „Achtung, halt an!“
    Aus einem Meer voller Gedanken gerissen, trat Elias heftig auf die Bremse und brachte den Van zum Stehen, bevor er den majestätischen Hirsch erfasste.
    Mit schweren Atemstößen sah er durch die Windschutzscheibe auf das große Tier, das sich langsam zurück in den nächtlichen Wald begab, da ihm wohl die grellen Scheinwerfer missfielen. Es hätten bloß wenige Meter gefehlt.
    „Alles okay bei euch?“, wollte Elias wissen und half Naferia, welche auf dem vorderen Mittelsitz zwischen ihm und Nico saß, um die zu Boden gefallenen Bücher aufzuheben. „Ich habe nicht aufgepasst, tut mir leid!“
    „Wir sagten ja, dass du eine Pause brauchst“, erwiderte Nico,

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