Blutige Küsse und schwarze Rosen
würde. „Wenn wir sie hier rausholen … Werden sie leben?“
„Sie sind schon zu lange des wahren Lebens beraubt worden, Elias. Wir sind nicht dazu in der Lage, es ihnen zurückzugeben.“
Das Wispern strich ihm in den Nacken. Naferia war zurück in die Kammer gekehrt und stand nun direkt hinter ihm.
„Ihre Seelen sind zu schwach und kümmerlich, um diesen Menschen neues Leben einzuhauchen. Sie werden gegen jede Natur auf dieser Erde festgehalten. Und der alleinige Weg, um ihnen Ruhe zu schenken, ist der Tod.“
Elias schluckte schwer. Die bloße Vorstellung, Hand an diese geschwächten, elenden Lebewesen zu legen, ließ ihn übel aufstoßen.
„Sie haben mich um den Tod gebeten.“ Eine unerträgliche Qual machte sich in seiner Brust breit, die dieses Mal nicht durch die Ornamente hervorgerufen wurde. „Sie haben zu mir gesprochen. Vorhin …“, versuchte Elias das zu erklären, was er selbst nicht begreifen konnte. „Nicht in ihrer menschlichen Gestalt, sondern … Ich glaube, es waren ihre Geister. Sie flüsterten in meinem Kopf, flehten mich an, sie zu befreien und ihre Schmerzen zu beenden … Wir müssen ihnen helfen.“
Blankes Entsetzen schüttelte Naferia bei diesen Worten. Mit vor dem Bauch verschränkten Armen und hochgezogenen Schultern trat sie an Elias’ Seite.
„Da du die wohl reinste Seele von uns allen hast, können sie nur zu dir Kontakt aufnehmen“, überlegte die Vampirin laut. „Ihnen zu helfen bedeutet allerdings, eines der Ornamente zu zerstören, um den Bann zu brechen. Dann würden die Gefangenen sterben können.“ Sie nickte zu den mit Flüchen belegten Wänden. „Wenn du das tust, ziehst du den Fluch des Macjuahn auf dich. Es ist völlig egal, wie ehrenhaft deine Absichten sein mögen.“
„Also liegt es nun an uns zwei?“
Es war Nico, der fragte und Naferia anblickte. Er stützte sich mit beiden Händen am äußeren Türrahmen ab, hielt sich vom Inneren der Kammer fern und überschritt die Schwelle nicht.
Sofort protestierte Elias.
„Ganz sicher nicht! Du bist heute schon ein Mal nur knapp dem Ende entgangen! Wer weiß, wann es dir wieder gut geht! Da werde ich es bestimmt nicht zulassen, dass du dich länger als unbedingt nötig hier drin aufhältst.“
Nach Unterstützung suchend, drehte sich Elias Naferia zu. Doch noch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte sich Nico bereits mühsam in den kleinen Raum geschleppt.
„Genau“, meinte er und stellte sich vor Elias. Er legte ihm die Arme um den Nacken und sah so eindringlich in seine Augen, dass die folgenden Sätze auch unausgesprochen hätten bleiben können. „Ich bin heute nur knapp dem Ende entgangen. Und warum? Weil ich wusste, dass du in Gefahr bist. Ich bin durch diese brennende Hölle gegangen, um dich zu retten. Weil ich den bloßen Gedanken nicht ertragen kann, dass dir etwas zustößt.“ Er neigte sich leicht vor und streifte Elias’ Lippen mit den seinen, ohne ihn dabei zu küssen. „Lass das nicht umsonst gewesen sein, indem du den Helden spielst und Dinge tust, die letztlich uns beiden schaden.“ Ein vorsichtiges Schmunzeln huschte über Nicos Antlitz. „Wer soll denn tagsüber zur Post gehen oder Ausflüge mit Ines machen?“
Endlich bekam Elias einen sanften Kuss geschenkt, ehe sein Freund sich von ihm abwandte und Naferia fragend ansah. Ihm waren die Zweifel ins Gesicht geschrieben und Elias konnte ihm das nicht verübeln. Immerhin waren seine bisherigen Erfahrungen mit anderen Vampiren von Hinterhalten und Enttäuschungen überschattet gewesen.
„Es ist eigentlich ziemlich unkompliziert“, antwortete Naferia auf die stumme Frage. Sie erklärte, dass allein die Ornamentsprache die Seelen gefangen hielt und wie diese uralte Magie durch das Vernichten der in Stein gehauenen Linien und Schnörkel an Wirkung verlor.
Elias stand etwas abseits und lauschte dem angeblich einfachen Plan. Er war sich sehr sicher, dass Sânge nirgendwo in seinem Schlafgemach etwas wie Hammer und Meißel aufbewahrt hatte, aber gerade, als er fragen wollte, ob er nach Werkzeugen suchen gehen sollte, erübrigte sich sein unausgesprochenes Angebot.
An eine der feuchtgrauen Wände getreten, rammte Naferia die Nägel ihrer langen, schlanken Finger in das nur feinporige Gestein. Augenblicklich begann dieses dünne Sprünge zu bilden, und Stellen des sauber in Form gehauenen Rankenwerks bröckelten mit dem prasselnden Klang von grobem Kies zu Boden.
„Wir müssen uns sputen!“, wies sie mit flüchtigem Blick zu
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