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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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irgendetwas hinderte ihn daran. Irgendetwas wollte nicht gesehen werden und erlaubte ihm nicht, die Lider aufzuschlagen.
    „Es tut so weh …“, ging das Klagen stattdessen weiter. Die Worte waren in tiefe Traurigkeit gehüllt und wie von den Böen eines eisigen Windes verzerrt und verschlungen. „Jede Sekunde weinen wir unzählige Tränen, die keiner zu sehen vermag … Bitte, Elias …“ Das Wispern wurde nachdrücklicher, wenn auch leiser. Es schien langsam von dem Wind weggetragen zu werden. „Bitte, hilf uns … Elias … Elias …“
    „Elias? Elias, ich flehe dich an, wach auf!“
    Hustend nach Luft ringend, schnellte er in die Gegenwart zurück und fand sich in der kleinen, dunklen Kammer wieder, die von den furchtbaren Geräuschen der Ketten erfüllt war. Doch überlagert wurden diese von etwas, das Elias mit so viel Leben, so viel Liebe und Glück berauschte, dass er alles andere komplett ausblendete.
    Nicos Stimme.
    „Gott sei Dank! Jage mir nie mehr so einen Schrecken ein!“
    Noch ehe Elias etwas hätte entgegnen können, fiel ihm sein Freund erleichtert um den Hals und presste ihn mit dem Gewicht seines Körpers gegen die Wand. Der Wucht dieser Umarmung nach zu urteilen ging es Nico schon deutlich besser.
    „Wo sind wir?“, wollte er schließlich wissen und ließ von Elias ab, sah ihm bekümmert in die Augen. „Was ist das hier für ein grässlicher Ort? Was sind das für Menschen?“
    Den Mund bereits geöffnet, um seinem Freund eine Antwort zu geben, hielt Elias inne. Er brachte keine einzige Silbe heraus, sondern betrachtete nur das Gesicht vor sich. Die unfassbar grünen Augen, die ihm entgegen funkelten … Die zart pfirsichfarbenen Lippen, welche stumm die seinen lockten … Endlich war dieses wunderschöne Gesicht nicht mehr von Wunden und Brandnarben gezeichnet. Lediglich vertrocknete Blutreste erinnerten an den Tod, der nach Nico gegriffen hatte – und dem er sich selbst ausgesetzt hatte.
    „Wieso bist du am helllichten Tag ins Freie gegangen?“, platzte Elias bei dieser Vorstellung heraus. „Hätte dich Naferia nicht gefunden …“ Er konnte nicht zu Ende sprechen. Die Worte blieben ihm im Halse stecken.
    „Naferia hat mich hierher gebracht?“ Nicos Augen blitzten vor Wut. „Also hatte ich recht? Sie hilft Sânge bei seinem Racheplan? Denn darum geht es ihm: Rache.“ Er senkte seine Stimme, als fürchtete er, belauscht zu werden. „Ich habe im Wagen weiter in Elisabeths Aufzeichnungen gelesen und weiß nun, was Sânge antreibt. Die zwei sind nämlich …“
    „Geschwister.“ Elias nickte. „Ich weiß. Nur was Naferia betrifft, liegst du falsch.“
    Gerade als er Nico über die letzten Geschehnisse aufklären wollte, wurde Elias von einem zaghaften Klopfen an der Tür unterbrochen. Es war Naferia persönlich.
    „Ich habe euch reden gehört …“, sagte sie zögernd durch das marode Holz hindurch. „Geht es Nico besser? Darf ich herein?“
    Anstatt ihr eine Antwort zu geben, erhob sich Elias vom Boden. All seine Muskeln und Knochen schmerzten und ächzten. Doch achtete er vor allem darauf, seinen Freund zu stützen, der nach wie vor leicht unkoordiniert und wackelig auf den Beinen war.
    „Das wurde auch höchste Zeit!“, stieß Naferia hervor, nachdem Elias ihr aufgemacht hatte. „Es ist inzwischen Nacht. Wenn wir fliehen wollen, dann jetzt!“
    „Fliehen?“ Nico schaute verwirrt von Elias zu der Vampirin und wieder zurück. „Wir drei? Was hat das zu bedeuten?“
    „Wir erklären dir alles später“, versprach Naferia knapp. „Erst müssen wir uns beeilen. Die Gänge scheinen leer zu sein.“
    Sie schob Nico einen Arm um die Taille, um ihm Halt zu geben, und zog ihn in den kleinen, abgetrennten Flurbereich.
    „Einen Moment noch.“ Elias zögerte und blickte den zweien sehnsüchtig nach.
    Alles in ihm bettelte darum, endlich den entscheidenden Schritt aus der Kammer tun zu können. Endlich den inneren Druck, den dieser mit Leid erfüllte Raum hervorrief, von sich abfallen lassen und die leicht feuchte Luft der unterirdischen Korridore in seine Lungen saugen zu können. Dennoch rührte er sich nicht einen Zentimeter in Richtung der Tür, sondern geradewegs von dieser weg.
    „Sie können hier nicht bleiben“, meinte er wie zu sich selbst. Seine Augen wanderten mitfühlend über die geschändeten Leiber der Angeketteten. Sein Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. Zitterte. Denn Elias ahnte bereits, wie Naferias Antwort auf seine folgende Frage lauten

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