Blutige Rache: Wegners schwerste Fälle (German Edition)
sind mir sympathisch, Herr Hauptkommissar. Speichellecker schare ich bereits genug um mich herum.«
»Ich weiß nicht, wie viele Menschen Sie in meiner Stadt auf dem Gewissen haben. Da werden Sie mir hoffentlich nicht böse sein, wenn diese Sympathie kaum auf Gegenseitigkeit beruht«, schnitt Wegner dem Unterweltboss grob das Wort ab. »Wenn ich könnte, dann würde ich Ihnen sofort Handschellen anlegen und Sie an den Haaren in eine Zelle schleifen.«
»Haben Sie Beweise ...?«
»Wenn ich die hätte, dann würde ich Sie heute im Gefängnis besuchen, statt in Ihrem schicken Büro«, unterbrach er ihn erneut.
Selbst dieser Frontalangriff vermochte es nicht Brunos Lächeln zu vertreiben. »Genug der Freundlichkeit! Was wollen Sie, Herr Wegner? Sie sind doch sicher nicht gekommen, um einen Kaffee mit mir zu trinken.«
11
Robert Falke saß im ICE in einem Abteil der 1. Klasse und studierte die Nachrichten auf seinem Tablett. Er wäre lieber geflogen, um sich den Strapazen einer Bahnfahrt zu entziehen, aber dafür brauchte man grundsätzlich einen Ausweis. Auch wenn er über zwei gefälschte Exemplare davon verfügte, erschien es ihm im Moment trotzdem zu riskant. Ferner wäre es töricht, das gesamte Unternehmen mit solch einer Leichtfertigkeit aufs Spiel zu setzen.
Ruckeln setzte sich der Zug in Bewegung. Kurz hinter Altona nahm er dann langsam Fahrt auf, sodass Falke Häuser und Landschaft nur noch am Fenster vorüberfliegen sah. In etwa dreieinhalb Stunden würde er Dortmund erreichen und dort ein exklusives Hotel beziehen. Erst am nächsten Tag wollte Axel in einem Bistro am Bahnhof auf ihn warten. Bis dahin hatte sich Falke einiges vorgenommen. Noch am selben Abend beabsichtigte er einen Mann zu treffen, den er vor ein paar Monaten kennengelernt hatte. Schnell fanden die beiden damals heraus, dass sie mehr verband, als nur dieser Zufall, der sie zusammengeführt hatte.
Er öffnete eine Seite mit Lokalnachrichten aus dem Ruhrgebiet und zuckte schon nach der zweiten Zeile erschrocken zusammen: »Selbstmord einer verzweifelten Schülerin in Essen«, prangte es dort in großen Buchstaben. Von einem heißen Schwall erfüllt las Falke immer fassungsloser Zeile für Zeile:
13-jährige Schülerin nimmt sich, nach erfolgloser Hilfesuche, das Leben:
Ein seit Monaten von ihren Mitschülern gemobbtes Mädchen nimmt sich nach verzweifeltem Kampf das Leben. Ähnlich wie vor dem grauenvollen Mord an einem Hamburger Schüler, hat sich das Mädchen an eine Internet-Plattform gewandt, deren Name hier bewusst ungenannt bleibt. Nachdem der Betreiber dieser Seite ihr jedoch zuerst Hoffnung gemacht, dann aber jegliche Hilfe versagt hat, sah die 13-jährige Magda J. keinen anderen Ausweg mehr, als den Freitod ...
Atemlos und wie vor Schock erstarrt, saß Falke eine ganze Weile regungslos in seinem weichen Sessel und starrte zum Fenster hinaus. Noch immer raste die Landschaft vorbei und ließ keinen Blick zu, der lange genug verweilen konnte, um Details zu erkennen. Ein weiteres Mal studierte er die Nachricht, um ebenso fassungslos aufzublicken wie zuvor.
Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Hatte sie denn seine Mail nicht erhalten – seinen Freischein ins Glück? Warum nur hatte er gezögert? Warum sich zuerst mit neuen Taten befasst, statt sich um seine vergangene Schuld zu kümmern?
Er sprang auf und erbrach wenig später sein komplettes Frühstück in die steril riechende Zugtoilette. Als er die Tür öffnete, kam ihm auf dem Gang ein Schaffner entgegen, der alles andere als gutgelaunt zu sein schien. »Die Fahrkarte bitte!« Dann schaute sich der Mann seinen Fahrgast genauer an. »Geht es Ihnen nicht gut? Sie sind ja ganz grün im Gesicht – brauchen Sie einen Arzt?«
Ohne ein Wort zu sprechen, zog Falke sein Ticket aus der Tasche und hielt es dem Schaffner vor die Nase.
»Gute Weiterfahrt«, der Mann entwerte die Fahrkarte, verabschiedete sich und machte sich eilig davon.
Falke wanderte auf wackeligen Beinen in sein Abteil zurück und ließ sich kraftlos in die weichen Kissen fallen. Diesen Schock galt es erst einmal zu verdauen.
***
»Meine Kollegen haben heute Morgen einen Taxifahrer gefunden – mehr tot, als lebendig.«
Bruno runzelte die Stirn. »Und was hat das mit mir zu tun? Ich fahre nicht Taxi, sonst wäre mein Chauffeur sicher beleidigt.«
»Sehr witzig!«, Wegner verzog das Gesicht zu einer seltsamen Grimasse. »Vielleicht können Sie mir dann aber erklären, warum sich die Täter
Weitere Kostenlose Bücher