Blutige Rache: Wegners schwerste Fälle (German Edition)
mehrfach nach Ihrem toten Sohn erkundigt haben.«
Brunos Ausdruck wurde abrupt deutlich ernster. Eine ganze Zeit lang schien er nach den richtigen Worten zu suchen. Plötzlich sprang er hinter seinem Schreibtisch auf, was Wegner schon vermuten ließ, dass er sich in wenigen Augenblicken auf der Straße wiederfinden würde. Stattdessen jedoch setzte sich der Unterweltboss auf einen Stuhl, der direkt neben dem Hauptkommissar stand, und legte diesem jetzt sogar die Hand aufs Knie.
»Wie weit geht das mit dieser Sympathiegeschichte?« Wegner schaute angeekelt auf die Hand, grinste dann aber breit.
»Keine Angst. In meiner Kultur sind Berührungen unter Männern eine Art Vertrauensbeweis. Ich mag Frauen und das bleibt auch so.« Bruno lachte herzhaft, wobei seine Augen die Freude nicht widerspiegeln wollten. »Mein Sohn ist tot«, schon jetzt wurde seine Stimme brüchiger. »Mein einziger Sohn ... umgebracht von ... von ...« Der sonst so mächtige Kiezkönig faltete die Hände vor seinem Gesicht. »... von zwei Schweinen, die ich nicht finden kann.« Bruno sprang erneut auf und trabte durch sein riesiges Büro. Immer wieder blieb er stehen und starrte verzweifelt an die Decke. »Ich kann diese Schweine nicht finden!«, schrie er jetzt so laut, dass sogar einer seiner Bodyguards kurz zur Tür hereinschaute. »Ich kann sie nicht finden – aber ich muss sie finden! Ich muss meinen Sohn rächen. Verstehen Sie das?«
Wegner ließ sich mit seiner Antwort absichtlich Zeit. Statt zu sprechen, stand er dann ebenfalls auf und machte ein paar Schritte auf Bruno zu. Er legte dem Kiezkönig einen Arm um die Schulter und drückte ihn sogar ein wenig an sich. Als Bruno ihn seltsam anschaute, begann er grinsend: »Keine Angst – nur Vertrauen.« Der Hauptkommissar tat einige schwere Atemzüge und fing von Neuem an: »Bei allem Respekt! Sie und Ihr Sohn sind für unzählige Morde verantwortlich – Gott weiß, wie viele. Dass da mal einer oder eine über Rache nachdenkt, kann man dem wohl kaum verübeln.«
»Das war nichts aus dem Milieu. Hundertprozentig! Da haben wir alles durch! Meine Männer haben jeden Stein umgedreht und jede Bordsteinschwalbe geröstet, falls sie etwas weiß.« Bruno entzog sich Wegners Umklammerung und setzte sich zurück auf seinen Stuhl. »Nichts! Nichts ... nichts ... nichts und nichts!« Jetzt sprang er schon wieder auf und hetzte durch sein Büro. »Wir haben wirklich jeden gefragt und sind vor nichts zurückgeschreckt ...«
»Das kann ich mir vorstellen!«, kommentierte Wegner den letzten Satz grimmig.
»Was soll ich also tun? Wer kann mir helfen? Wer findet die Mörder meines Sohnes, damit sie ihre gerechte Strafe bekommen?«
»Ich! Wobei wir, wenn es um die gerechte Strafe geht, zweifellos unterschiedlicher Meinung sind.«
12
Mit unverändert zitternden Beinen verließ Robert Falke den ICE und machte sich in Richtung Taxistand auf. Magda und ihr Selbstmord beherrschten seine Gedanken und erstickten alles andere sofort im Keime. Das hatte er nicht gewollt. Kollateralschäden, wie man es so schön nannte, hatte er weder geplant, noch für möglich gehalten. Er wollte helfen. Kindern ein neues Leben schenken. Ein Leben ohne Peinigung und tagtäglichen Schmerz. Und wie sah seine Bilanz jetzt aus? Einem Jungen hatte er geholfen – ja – das war gut. Aber dafür hatte sich ein Mädchen umgebracht, dem er sich so nahe gefühlt hatte, als ob es seine kleine Schwester wäre. Was also hatte er erreicht. Wie sah am Ende der Saldo dieser traurigen Bilanz aus?
Am Taxistand angekommen riss er gleich die erste Tür auf, warf seine Tasche in den Fond und ließ sich auf die Rückbank plumpsen.
»Dafür hab ich einen Kofferraum«, maßregelte ihn der Fahrer giftig. »Wo wollen Sie denn hin, junger Mann?«
Statt dem Fahrer zu antworten, griff er nach seiner Tasche, öffnete wortlos die Tür und ging zum nächsten Taxi hinüber. Als dieser Fahrer dann losfuhr, konnte Falke sogar das wütende Gestikulieren seines Kollegen im Rückspiegel erkennen. Lachend lehnte er sich in die Polster zurück. Für einen kleinen Moment hatte er Magda vergessen. Es dürfte einige Tage dauern, aber irgendwann sollte ihn diese gefühlte Schuld auch wieder loslassen. Es waren höhere Aufgaben, die ihn antrieben. Dort draußen warteten genug andere Mädchen und Jungen, die sich nichts sehnlicher wünschten, als seine Hilfe.
***
Hauser saß in seinem Büro und brütete über einem ganzen Berg von möglichen Profilen, die Tal
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