Blutige Rache
Blonde, der sich mit Bunton und Sanderson stritt, könnte John Wigge sein, der dritte Mann, den Utecht genannt hatte. Möglicherweise war Wigge jedoch auch der Typ im Wagen. Dessen Gesicht hatte der Scout die ganze Zeit über lediglich als weißen Fleck auf dem Rücksitz des Jeeps wahrgenommen.
Der Scout hoffte, dass Wigge tatsächlich der Mann auf dem Rücksitz war. Wenn ja, handelte es sich bei dem Typ auf dem Gehsteig, der den Jeep gelenkt hatte, um einen der Unbekannten. Falls es dem Scout gelang, die Nummer auf dem Schild zu erkennen, würde ihn das zu einem der beiden fehlenden Namen führen.
Er schnitt das Gesicht des Blonden sorgfältig aus einem halben Dutzend Aufnahmen heraus und probierte mit verschiedenen Aufhellungsstufen, Kontrasten und Schärfen herum. Als er meinte, das optimale Ergebnis zu haben, druckte er es auf einem winzigen Canon-Printer aus.
Anschließend breitete er die sechs Bilder im Format 10 x 15 unter der Schreibtischlampe aus und betrachtete sie genauer. Als Passfotos würden sie nicht gerade durchgehen, aber für seine Zwecke waren sie gut genug. Wenn er dem Mann noch einmal begegnete, würde er ihn erkennen.
Er hoffte, dass der Blonde einer der Unbekannten war, hatte
jedoch das Gefühl, dass es sich um Wigge handelte. Wigge war früher Polizist gewesen, und der Blonde auf dem Gehsteig hatte förmlich nach Polizei gerochen.
Zurück zu den Nummernschildern. Der Scout ging alle Aufnahmen mit äußerster Sorgfalt durch. Erst nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass nicht alle Zahlen auf einem Schild zu erkennen sein mussten. Solche Fehler durften ihm nicht mehr unterlaufen. Wurde er etwa alt?
Er vergrößerte ein Schild, auf dem er zwei oder drei Zeichen entziffern konnte - das dritte hielt er für ein »Z« oder eine »2«. Nach dem Abgleich mit einem weiteren Schild entpuppte es sich als »Z«, und dazu erhielt er eine »5« auf der anderen Seite des Bindestrichs, die auch ein »S« hätte sein können, wenn nicht alle Nummernschilder von Minnesota nach dem Muster »drei Zahlen, drei Buchstaben« aufgebaut gewesen wären.
Jetzt fehlten ihm nur noch zwei Buchstaben. Nach einer Weile hatte er sie, zuerst ein »Y«, dann ein »K«. Durch eine weitere Aufnahme bestätigte sich die »5«, und er erhielt zusätzlich eine »7«.
Die letzte Zahl konnte er nicht rekonstruieren. Am Ende lautete das Ergebnis 5(?)7 YKZ, und außerdem wusste er Marke und Farbe des Fahrzeugs. Das sollte reichen, dachte er, denn er kannte jemanden, der sich in den Computer der Zulassungsstelle einhacken würde.
Der Scout nahm das Handy, das er eine Woche zuvor bei Wal-Mart erworben hatte, und wählte eine Nummer.
Es meldete sich eine leise, kultivierte Männerstimme. »Ja.« Sonst nichts.
»Ich habe eine Zulassungsnummer und brauche den Namen des zugehörigen Fahrzeughalters.«
»Geben Sie mir die Nummer.« Nachdem der Scout sie vorgelesen hatte, sagte der Mann: »Einen Augenblick.«
Wenig später: »Der Wagen ist auf einen John Wigge zugelassen.«
»Hm.«
»Gut?«
»Nein. Ich hatte auf einen anderen Namen gehofft. Gibt’s auch eine Adresse zu der Zulassung?«
»Natürlich.«
Der Scout notierte die Angaben, bedankte sich höflich und beendete das Gespräch.
Dann also zwei Namen: Ray Bunton und John Wigge. Namen, die der Scout bereits kannte.
Wenn er ihnen keine weiteren entlocken konnte, würde seine Mission erfolglos enden. Er musste sich für einen der beiden Zeit nehmen.
Mit einem Messer …
SECHS
Virgil lehnte sich auf dem Stuhl zurück, legte die Füße auf Davenports Schreibtisch und begann zu googeln.
Mead Sinclair war seit jeher fleißig gewesen: Google hatte Informationen über ihn aus einer für das Internet prähistorischen Zeit.
Sinclair, Jahrgang 1943, war im Abschlussjahr der Highschool, gefördert von einer links orientierten Bildungsstiftung, nach Südamerika gegangen, um sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Dritte-Welt-Ländern zu beschäftigen, hatte vier Jahre lang in Michigan Ökonomie studiert und seinen Doktor in Wirtschaftsgeschichte in Harvard gemacht.
Vor dem Militärdienst hatte er sich offenbar gedrückt.
In den sechziger und siebziger Jahren war er als Graduierter und später als Assistenzprofessor an der University of Wisconsin in Madison Leiter von Sommerkursen bei Friedenscamps und akademischen Programmen gewesen und während des Vietnamkriegs als Reporter für das Ramparts -Magazin nach Hanoi gereist.
Laut Google war er bei einem
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