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Blutige Rache

Titel: Blutige Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Boss hat eine Blockhütte, ungefähr zwei Stunden von hier«, antwortete Virgil. »Wir könnten am frühen Nachmittag dort sein, angeln oder spazieren gehen und am Abend wieder zurückkommen.«
    »Ecke Grand/Victoria gibt’s ein Lokal mit prima Sandwiches und Nachspeisen«, sagte sie. »Ich besorg uns Proviant. Hol mich dort ab - wenn dir das nicht zu schnell geht.«
    »Bin in fünfzehn Minuten da«, versprach Virgil.
     
    Davenports Hütte befand sich ungefähr dreißig Kilometer östlich von Hayward, etwas mehr als zweieinhalb Stunden von den Twin Cities entfernt. Sie aßen während der Fahrt, kamen gut voran. Mai sah zum ersten Mal einen Polizeiwagen von innen und wollte wissen, wozu die Ausstattung diente. Sobald niemand sonst auf dem Highway unterwegs war, schaltete Virgil Blaulicht und Sirene ein, um ihr zu zeigen, wie sich das anfühlte. Mai trug Jeans, eine schwarze Baumwollbluse und ein blumiges Parfüm und kicherte laut über anzügliche Witze.

    »Peach Blossom«, klärte sie ihn auf.
    »Ich dachte, Parfüms heißen ›Sin‹ oder ›Obsession‹«, erwiderte Virgil.
    »Dämliche Namen. Nimmst du auch irgendeinen Duft?«
    Er lächelte. »Manchmal Aftershave, ›Big Iron Panzer Diesel‹. Damit fühl ich mich männlicher.«
    Sie unterhielten sich über ihre Kindheit im Mittleren Westen, über den Schulbesuch in Madison und Minneapolis. Sie gestand, dass sie in Wisconsin nie ein Football- oder Basketballspiel besucht, ein Verehrer sie jedoch einmal zum Wrestling, Wisconsin gegen die University of Iowa, mitgenommen habe. »Was für ein Gedränge. Aber ich hab mich auf keine Bodychecks eingelassen.«
    »War sicher enttäuschend für alle Beteiligten.«
    »Besonders für meinen Verehrer«, sagte sie und tätschelte seinen Oberschenkel.
    »Hab ich dir schon von meiner tollen Baseball-Karriere erzählt?«
    »Nein.«
    »An der Highschool ging’s noch ganz gut, aber im College war ich’ne Niete. Trotzdem hab ich ein paar Jahre lang gespielt, und wir sind drei- oder viermal pro Saison runter nach Madison. Da war ich hauptsächlich im Terrace, hab Eis gegessen und versucht, Frauen aufzureißen …«
    »Mit Erfolg?«
    »Für’nen College-Boy ganz ordentlich. Ins Bett hab ich nie eine gekriegt, aber ein paar waren immerhin bereit, mit uns zu quatschen.«
    Sie wollte wissen, was für ein Gefühl es sei, auf Menschen zu schießen. Er hatte das in seinem Leben zweimal getan, einmal auf einen Mann und einmal auf eine Frau. Der Mann war gestorben, die Frau hatte er am Fuß getroffen. Sie war
Sekunden später, verwundet auf dem Gehsteig liegend, von einer anderen Frau getötet worden.
    »Hast du deswegen Schuldgefühle?« Das schien sie aufrichtig zu interessieren.
    »Ja, klar … Zum Glück hatten sie keine Kinder. Der Mensch steht am Ende einer langen Evolutionsgeschichte, Eiszeit, Bison- und Mammutjagd, und das Ganze endet dann in einer Blutlache auf irgendeiner Straße oder einem Feld. Das vergeudete Potential …«
    »Klingt reichlich trocken und intellektuell.«
    »Weil ich ziemlich viel darüber nachgedacht und das Problem intellektualisiert habe. Damals hat mich das schon mitgenommen. Meiner Erfahrung nach kommt man besser damit zurecht, wenn man Distanz schafft - aber später könnte mich die Sache durchaus wieder einholen.«
    »Eine ganz schöne Last, wenn man jemanden umgebracht hat.«
    »Ja, man wird an seinen Taten gemessen«, sagte Virgil. »So sehe ich das. Ich bin also ein Killer, in gewisser Weise. Darüber denke ich auch nach.«
    Er fragte sie, warum ihr Vater, einer der führenden Kriegsgegner, Umweltaktivisten und obendrein Professor an der angesehenen University of Wisconsin, beschlossen hatte, an der Metro State zu unterrichten.
    »Burn-out-Syndrom. Er stand ständig unter Druck«, antwortete sie. »Immer an vorderster Front. Vielleicht war er irgendwann einfach nur noch müde, und die Dinge haben sich nicht mehr so entwickelt, wie er sich das vorstellte. Möglicherweise konnte er auch an der University of Wisconsin niemanden mehr beeindrucken. Seine große Zeit ist vorbei. Aber an der Metro State himmeln ihn die Studenten immer noch an.«
    »Warum hat er sich nicht ein Forschungsstipendium gesichert
und ist nach New York oder Paris gezogen? Dort hätte er lange Spaziergänge machen können.«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Manche Lehrer nehmen ihren Job sehr ernst. Er gehört dazu. Deshalb hat er sich eine Stelle gesucht, von der aus er das akademische Leben an der University of Wisconsin weiter

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