Blutige Seilfahrt im Warndt
auch hier. Leider geht es ihm nicht mehr so gut wie dir, aber er ist hier. Er hat den Fehler gemacht, sich zu heftig zu wehren.«
Grewe blieb die Luft weg vor Schreck. Wo war Bonhoff? Er schaute sich um, konnte ihn aber nirgends sehen.
»Dass dein Herz nur für ihn schlägt, habe ich schnell herausgefunden. Auch deine schöne Story von der Ehefrau im Pütt war zu aufgesetzt. Dass du anders tickst, merkt man doch sofort. Deine Komödie vom rauen Bergmann war sowas von unglaubwürdig.«
»Wo ist er?«, fragte Grewe.
Remmark zeigte auf eine vorstehende Mauer direkt vor seinen Augen und meinte: »Dahinter liegt er.«
»Ich will ihn sehen.«
»Alles zu seiner Zeit. Ich bin nämlich noch nicht mit dir fertig.«
Grewe hatte Mühe, diesem Wahnsinnigen weiter zuzuhören. Doch die Stimme war so laut, dass er jedes Wort verstand.
»Denn, ich muss dir noch sagen, was das Schönste an unserem Spiel ist.«
Grewe wollte es nicht wissen.
»Nur ich weiß, wo ihr beide steckt. Ohne mich wird euch hier keiner finden.«
»Willst du damit sagen, dass du keinen der Kameraden in dieses kranke Spiel eingeweiht hast?«, fragte Grewe mit zitternder Stimme.
»Genau das!«
»Wo ist Mimose?«, fragte Grewe nochmal.
»Keine Sorge! Bald werde ich euch zwei Liebenden zusammenbringen. Es wird sein wie bei Romeo und Romeo!« Remmark lachte über seinen Witz und verschwand. Grewe glaubte, verrückt zu werden.
Nun ließ er ihn nicht nur in großer Gefahr zurück, sondern auch noch in der Ungewissheit, ob sein Freund Michael Bonhoff wirklich mit ihm hier eingesperrt war oder nicht.
Es war erst wenige Stunden her, dass sie sich voneinander verabschiedet hatten. Nun saßen sie sich wieder gegenüber. Doch dieses Mal war der Ort die Staatsanwaltschaft, der Raum ein Büro und ein protziger Schreibtisch stand zwischen ihnen. Auch trug der Anlass für dieses Treffen nicht gerade zu einer guten Stimmung bei. Jürgen Schnur war ratlos, weil er seinen Mann nicht mehr zu greifen bekam. Es war genau das eingetroffen, wovor ihn jeder gewarnt hatte.
»Du musstest ja deinen Dickschädel durchsetzen«, zischte Ann-Kathrin. »Ich wollte diese gefährliche Aktion von Anfang an nicht zulassen.«
Wütend nahm sie den Hörer in die Hand und begann die Nummer des Oberbergamtes zu wählen.
Schnur wartete das Gespräch ab. Doch an den Bruchteilen, die er zu hören bekam, erkannte er, dass Ann-Kathrin nicht das erreichte, was sie sich erhoffte. Als sie auflegte, murrte sie: »Die meinen, wir sollten erst abwarten, bis die Schicht zu Ende ist. Wenn Grewe und Bonhoff dann immer noch nicht auftauchen, soll ich mich wieder bei ihnen melden.«
»Siehst du«, rief Schnur aus. »Da liegt unser ganzes Problem. Während wir hier in aller Seelenruhe abwarten, kann dort unten weiß Gott was passieren.«
»Sag das nicht mir«, konterte die Staatsanwältin böse. »Du hast diese Misere zu verantworten, weil du unbedingt deinen eigenen Mann in dieses Loch schicken wolltest. Deshalb warne ich dich. Behalte deinen kühlen Kopf und überlege dir, wie es weitergehen soll, wenn uns das Bergamt nicht runterlässt.«
»Du hast recht«, gab Schnur nach. »Wenn wir uns herumstreiten, helfen wir niemandem. Ich werde mich mit meinen Leuten beraten. Ruf mich an, sobald du etwas vom Bergamt hörst.«
»Und ruf du mich an, sobald du etwas von Anton Grewe hörst!«
Das Signal ertönte in einer Lautstärke, dass die beiden Kommissarinnen zusammenzuckten. Das war der Hinweis, dass der Korb aus der sechsten Sohle nach oben fuhr.
»Schichtende«, kommentierte Andrea.
Sie überquerten den großen Platz und steuerten die Schachthalle an, in der Hoffnung, dort Anton Grewe oder Michael Bonhoff zu begegnen.
Viele verrußte Gestalten kamen heraus. Sie redeten, lachten und schienen alle gut gelaunt zu sein, denn es war Wochenende.
Lange standen die beiden Frauen am Rand des Geschehens. Einige der Männer nahmen sie wahr und honorierten ihre Anwesenheit mit Pfiffen und Komplimenten.
Doch so nach und nach wurden die Gruppen von Männern immer kleiner, bis nur noch Vereinzelte die Schachthalle verließen. Sie alle steuerten die Lampenstube an. Weder Michael Bonhoff noch Anton Grewe waren dabei.
»Nicht nur, dass ich unsere beiden nicht gesehen habe«, meinte Anke. »Ich habe niemanden aus Remmarks Partie gesehen.«
»Ich auch nicht. Bleibt uns nichts anderes übrig, als zum Warndt zu fahren und uns dort umzusehen«, beschloss Andrea. »Wenn die beiden über den Warndtschacht
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