Blutige Seilfahrt im Warndt
es kann dafür verantwortlich gemacht werden«, gab die Staatsanwältin zurück.
»Warum nur Karl Fechter?«, hakte Kullmann nach. »Es waren auch andere Männer für Sprengungen ausgebildet.«
»Wer?«
Kullmann zog die Akte aus seiner Ledermappe und begann zu suchen.
»Für uns ist es wichtiger herauszufinden, wo Grewe gefangen gehalten wird«, führte indessen Schnur die Besprechung weiter. »Schaut euch das Foto mal an. Der Hintergrund könnte doch etwas über den Raum aussagen.«
»Mir sagt das bestimmt nichts«, gab Erik zu. »Ich war ja nie unten.«
»Ich muss mit diesem Foto zur Grubenwehr«, stellte die Staatsanwältin klar. »Das sind die ersten, die in einem solchen Notfall zur Hilfe gerufen werden. Und die Männer kennen sich dort unten bestens aus.«
»Hier habe ich den Namen«, rief Kullmann und schaute von seinen Unterlagen hoch. »Ein Mann, der nach unserem Ermittlungsstand noch lebt.«
»Und wer ist es?«
»Michael Bonhoff.«
Stille trat ein.
Schnur schaute in Richtung Erik, der den Blick erwiderte. Anke und Andrea erging es ähnlich. Niemand im Raum wollte in diesem Mann einen bestialischen Mörder sehen.
»Sie glauben also, dass Michael Bonhoff das Phantom ist?«, hakte Ann-Kathrin nach, die einzige in diesem Raum, die diesen Mann nicht persönlich kannte.
»Es passt alles zusammen«, ereiferte sich Kullmann. »Bonhoff wurde von den anderen ausgeschlossen – so seine eigene Aussage. Bonhoff hatte den vermaledeiten Spitznamen Mimose, was ihm dort unten bestimmt abträglich war. Und ausgerechnet Grewe hat ihm diesen Namen verpasst.«
»Das klingt nicht gut«, erkannte Ann-Kathrin. »Warum sind wir da nicht viel eher drauf gekommen?«
»Weil niemand von uns wirklich daran glauben will«, gab Schnur zu. »Aber mir fällt ein weiterer Aspekt ein, der mir vor ein paar Tagen noch nicht aufgefallen ist. Nachdem wir so viel Einblick in die Welt des Bergbaus bekommen haben, wissen wir, dass es verdächtig ist, das Abmelden eines Kameraden nicht an den Steiger weiterzugeben.«
»Was meinst du damit?«, hakte Erik nach.
»Dass sich Peter Dempler bei Michael Bonhoff abgemeldet hatte, als er auf die fünfte Sohle gefahren ist. Und Bonhoff hat das nicht dem Steiger gemeldet. Und kurze Zeit später hängt Peter Dempler tot am Förderseil.«
»Ich gebe der Grubenwehr unseren Verdacht durch«, verkündete Ann-Kathrin.
»Und ich schlage vor, wir verschicken Kopien dieses Fotos und sprechen mit den Männern aus Remmarks Partie, ob jemand diesen Ort erkennt«, beschloss Schnur.
Ann-Kathrin schaute auf ihre Armbanduhr, sprang von ihrem Stuhl auf und sagte: »Ich versuche noch schnell jemanden vom Oberbergamt zu erreichen, damit wir die Genehmigung bekommen, unter Tage zu fahren und nach Grewe und Bonhoff zu suchen. Jetzt ist wirklich Gefahr im Verzug.« In der Tür blieb sie stehen, drehte sich um und fügte an: »Das Phantom lasse ich lieber unerwähnt.«
Grewe begann zu schwitzen. Das tat ihm nicht gut, denn der Schweiß lief ihm über den Rücken, klebte und nässte seine Kleidung. Er fühlte, dass er bald anfangen würde zu frieren.
Ein Blick auf den Zeitmesser verriet ihm, dass inzwischen vier Stunden vergangen waren. Seine Monologe hörten sich in seinen eigenen Ohren schwülstig an. Aber er hatte keine andere Idee, wie er es sonst schaffen sollte, seinen Freund aus der Ohnmacht zu wecken. Dabei wusste er immer noch nicht, ob Bonhoff wirklich dort lag, wo Remmark hingezeigt hatte. Er verließ sich einfach auf seinen Instinkt und sprach weiter: »Kannst du jetzt verstehen, warum ich mich im Bergmannsberuf niemals wohlgefühlt habe? Immer musste ich eine Rolle spielen. Jemand sein, der ich nicht war. Und dazu noch für einen Menschen, der mich nur als Bergmann akzeptierte – in keiner anderen Rolle sonst. Ständig habe ich mich deplatziert gefühlt. Egal, wo ich war. In meiner Familie, am Arbeitsplatz, bei den Freunden, in den Ausbildung. Nirgends gehörte ich wirklich dazu. Bis du plötzlich im Stoß aufgetaucht bist. Dein Anblick hat mich innerhalb von Sekunden elektrisiert. Du hattest nichts von einem Bergmann – außer Mut und Kraft. Viel beherzter als ich konntest du dich an jede gefährliche Arbeit heranwagen, während ich immer zögerte.«
Grewe lauschte. Nichts.
»Das habe ich bewundert. Und je länger ich dich nur beobachtet habe, ohne zu wissen, wie du zu mir stehst, umso mehr habe ich mich in dich verliebt. Am Anfang war es deine Unerreichbarkeit – ein Gefühl, das ich von
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