Blutige Seilfahrt im Warndt
Sie etwas von einem Mann namens Karl Fechter?«
»Karl heißt auf Französisch Charles«, meinte Pierre schulterzuckend. »Und wir hatten bestimmt den einen oder anderen Charles in Saint Charles arbeiten. Aber die Familiennamen dieser Männer weiß ich heute nicht mehr.«
»Wäre auch zu schön gewesen …«, stöhnte Schnur.
»C’est la vie«, erwiderte Pierre mit einem faltigen Grinsen.
»Okay, es gibt noch etwas. Und zwar hat der Gerichtsmediziner eine erste Schätzung durchgegeben, aus welcher Höhe Remmark gefallen ist.«
»Und?«, horchte alle auf.
»Er meinte, es könnten zwischen dreihundert und vierhundert Metern gewesen sein. Genaueres, wenn er mit seinem Team alles noch mal durchrechnet.«
»Wo hat der Korb gestanden, als Schorsch aufschlug?«, fragte Pierre.
»Auf der sechsten Sohle.«
»Dann können wir davon ausgehen, dass er von der vierten Sohle in den Schacht gefallen ist«, resümierte der Alte und fügte an: »Der Bergestollen aus den Sandgruben hinter Saint Charles führt uns genau dorthin.«
»Was nützt uns das?«, fragte Schnur.
»Auf der vierten Sohle wird schon seit Jahren keine Kohle mehr abgebaut. Deshalb halte ich es für möglich, dass sich dort diese Sprengkammer befindet.«
»Auf der dritten Sohle wird auch nicht mehr abgebaut«, zweifelte Schnur. »Und auf der zweiten und auf der …«
»Von der vierten Sohle kommt man bequem zur fünften durch einen Wetterstollen. Alle Sohlen darüber sind abgedämmt. Da kommt kein Mensch mehr rein.«
»Allmählich klingt es überzeugend«, gab Schnur zu. »Wie stehen die Chancen, die Kammer auf der vierten Sohle zu finden?«
»Nicht gut«, bedauerte Pierre. »Sie glauben nicht, wie viele Strecken es auf einer Sohle gibt.«
»Also bleibt uns nichts anderes übrig! Wir müssen das Phantom finden. Nur er kann uns zu Anton Grewe führen.« Schnur fuhr sich über sein Kinn. Erschrocken wich er zurück, als er merkte, wie lang die Bartstoppel schon waren. Doch dazu sagte er kein Wort, sondern wandte sich an Kullmann: »Ich hätte gern das SEK hinzugezogen. Aber dieser Stollen liegt über der Grenze. Dort dürfen wir unsere Jungs nicht einsetzen. Deshalb soll Pierre dich in den Stollen begleiten! Das ist mir lieber, weil ich Angst habe, du könntest dich in diesem unterirdischen Labyrinth verirren.«
»Ich werde Kullmann auch begleiten«, stellte Anke klar.
»Ich bitte dich, mit mir zurück zur Dienststelle zu fahren«, drängte Schnur.
»Warum?«
»Diese Aktion ist von niemandem abgesegnet. Kullmann ist im Ruhestand. Pierre kann auch nichts passieren. Die einzige, die ihren Job riskiert, bist du.«
»Und du!«, gab Anke grinsend zurück.
»Dafür bin ich selbst verantwortlich. Aber dich will ich nicht in diesen Schlamassel hineinziehen.«
»Ich kann ganz gut für mich selbst entscheiden«, gab Anke zu verstehen. »Schön, dass du dir diese Gedanken um mich machst. Aber ich werde mitgehen und zusehen, dass ich helfen kann. Wenn es Ärger geben sollte, nehme ich das auf meine Kappe und widme mich den Rest meines Lebens der Erziehung meiner Tochter.«
Mit säuerlichem Grinsen meinte Schnur: »Diese Mutter-Kind-Kur hat dir wohl eine Gehirnwäsche verpasst. Aber so leicht entkommst du uns nicht.«
Anke lachte.
Doch dann fügte wieder in erstem Tonfall an: »Ihr solltet euch auf den Weg machen! Die Zeit für Anton wird immer knapper. Ich hoffe, von Rach und Tremante mehr über die Machenschaften unter Tage zu erfahren. Vielleicht weiß einer von ihnen etwas über das Phantom.«
»Wir können unter Tage keine Verbindung halten«, bedauerte Pierre. »Dort sind wir auf uns allein gestellt!«
»Das macht mir ja gerade so zu schaffen! Also gebe ich euch einen guten Rat: Macht keine Alleingänge da unten. Konzentriert euch nur darauf, den Raum zu finden, in dem Grewe gefangen gehalten wird. Sonst nichts.«
Anke und Kullmann nickten.
»Sollte Michael Bonhoff das Phantom sein, lasst euch nicht davon ablenken, wie sympathisch ihr den Mann kennengelernt habt. Das könnte eine Masche gewesen sein.«
Wieder ein allgemeines Nicken.
»Ich werde die Grubenwehr darüber informieren, dass ihr von einer anderen Seite in den Stollen kommt, damit ihr euch dort unten nicht gegenseitig verhaftet.«
»Sehr witzig«, murrte Kullmann, während Pierre listig lachte.
»Außerdem werde ich mit den Männern der Grubenwehr in Kontakt bleiben. Sie werden über alles informiert sein, was wir hier oben herausfinden und es an euch weitergeben. Eine bessere
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