Blutige Seilfahrt im Warndt
so teilnahmslos wie möglich dreinzublicken. Doch das gelang ihm nicht, denn schon fragte Anke: »Was ist mit dir? Hast du ein Problem damit, dass ich eine Woche Urlaub anhängen will?«
»Nein.«
»Aber?« Anke ließ nicht locker. »Ich sehe dir doch an, dass dich etwas beschäftigt.«
Eine rote Ampel zwang Kullmann zu stoppen. Dann wandte er sich seiner Beifahrerin zu und gestand: »In dieser Woche ist ein Bergmann auf der Grube Warndt getötet worden. Das ist ausgerechnet die Grube, in der ich mal ermittelt habe. Aber niemand aus Schnurs Team hat mich bisher in die Ermittlungen einbezogen. Niemand braucht mehr meine Hilfe. Deshalb hatte ich gehofft, dass du am Montag wieder arbeiten gehst, damit ich endlich informiert werde.«
»Ich kann dir sagen, warum dich bisher noch niemand um Rat gefragt hat«, meinte Anke.
Kullmann sah in den Augenwinkeln, dass sie grinste.
»Und warum?«
»Weil die Kollegen noch nicht einmal herausgefunden haben, ob es sich um einen Unfall oder um Mord handelt.«
»Woher willst du das wissen?«
»Erik hat mich gelegentlich angerufen«, antwortete Anke. »Er meinte, dass sie nicht ermitteln können, solange diese Frage nicht geklärt ist. Und solange sie nicht ermitteln, brauchen sie auch deine Hilfe nicht.«
»Wie kann das ein Unfall sein?«, begehrte Kullmann auf. »Das war Mord.«
»So einfach scheint es nicht zu sein. Aber ich weiß nicht, wie sich der Fall in der Zwischenzeit weiterentwickelt hat.«
»Wann hast du mit Erik telefoniert?«
»Am Mittwoch.«
»In der Zwischenzeit kann viel passiert sein. Das sind zwei Tage.«
Anke schmunzelte und meinte: »Dann werde ich meinen Urlaub wohl noch ein bisschen aufschieben müssen.«
»Das will ich nun auch wieder auch nicht«, brummte Kullmann. »Dann bekäme ich ein schlechtes Gewissen.«
»Das brauchst du nicht«, gestand Anke. »Jetzt hast du mich auf den Fall neugierig gemacht.«
»Erik, wo bist du mit deinen Gedanken?« Der Angesprochene schaute auf und sah seinen Vorgesetzten Jürgen Schnur vor seinem Schreibtisch stehen.
»Ich versuche schon die ganze Zeit, Anke zu erreichen«, gab er zerknirscht zu.
»Sie kommt heute nach Hause, dachte ich.«
Erik nickte.
»Lass sie doch erst mal ankommen!«, fuhr Schnur den Mitarbeiter an. »In der Zwischenzeit kannst du tun, was ich dir aufgetragen habe.«
Erik richtete seinen Blick auf den Bildschirm seines PC’s und las vor: »Paolo Tremante ist einmal aktenkundig geworden und zwar wegen Verführung einer Minderjährigen. Aber ich glaube nicht, dass uns das in unserem Fall weiterhilft.«
»Nicht wirklich«, gab Schnur zu.
»Deshalb habe ich noch ein bisschen weitergesucht und bin auf den Unfall unter Tage gestoßen, den du am Dienstag angesprochen hast.«
Schnur erinnerte sich daran, dass Georg Remmark ein Unglück erwähnt hatte, das bereits elf Jahre zurücklag. Er sah wieder die Gedenkstätte vor sich, die für die zwei vermissten Kameraden dort eingerichtet worden war.
»Remmark hatte dieses Unglück bereits erwähnt. Es liegt elf Jahre zurück«, resümierte er.
»Hat er auch erwähnt, dass es Unstimmigkeiten bei den Aussagen der Bergleute gegeben hat?«, fragte Erik.
Schnur horchte auf. »Nein. Was steht in der Akte?«
»Die Gruppe von Steiger Karl Fechter war an einem Donnerstag, dem 16. September 1999 zusammen zur Zwölf-Uhr-Schicht unter Tage gefahren. Das Unglück ereignete sich in der Nacht vom 16. September auf den 17. September 1999. Erst danach wurden Fechter und Bode vermisst gemeldet.« Erik schaute Schnur an und wartete auf dessen Reaktion.
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Das Unglück ereignete sich in der Nacht. Aber Karl Fechter und Winfried Bode hatten in der Mittagschicht gearbeitet. Sie hätten also gar nicht mehr unter Tage, geschweige denn in dem Bereich sein dürfen, der eingestürzt ist.«
»Wurde in dem Fall ermittelt?«
»Ja. Und rate mal, wer hinzugezogen wurde?« Erik grinste.
»Wer?«, drängte Schnur.
»Norbert Kullmann – unser ehemaliger Chef.«
Schnur staunte. Er ging einige Schritte vor Eriks Schreibtisch auf und ab und sagte dann: »Da hat unser Altmeister bereits in der Grube Warndt ermittelt und meldet sich mit keinem Wort bei uns.«
»Vielleicht weiß er es noch nicht«, überlegte Erik laut.
»Es hat unübersehbar in der Zeitung gestanden«, hielt Schnur dagegen. »Er weiß es mit Sicherheit. Ich werde ihn sofort anrufen und fragen, was los ist …«
»Ich würde noch warten«, rief Erik
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