Blutige Seilfahrt im Warndt
Jahren der Lokführer Harald Stark einen tödlichen Unfall erlitten hat. Er hatte damals zu Remmarks Gruppe gehört.«
»Wie ist er verunglückt?«
»Er geriet beim Rangieren der Grubenlok unter einen der Waggons.«
»Inwiefern ist das wichtig für uns?«, fragte Schnur.
»Ich bin ja noch nicht fertig. Erik hat doch schon herausgefunden, dass im Jahr 2006 Uwe Bendrup tödlich verunglückt ist. Auch er gehörte damals zu Remmarks Gruppe. Er wurde zwischen Schildkappe und Gebirge zu Tode gequetscht.« Andrea schaute von ihrer Notiz auf und fügte an: »Ich weiß zwar nicht, was eine Schildkappe im Bergbau ist. Ich sehe einfach nur die merkwürdigen Parallelen.«
»Welche Parallelen?«
»Im Rhythmus von zwei Jahren sterben immer wieder Bergleute aus derselben Gruppe. Und immer wieder heißt es, es sei ein Unfall gewesen.«
»Jetzt mach mal einen Punkt. Das sind zwei Unfälle. Da kann man wohl kaum von Parallelen sprechen.«
»Die Liste ist noch länger.«
»Heißt das, dass es dort noch mehr Todesfälle gegeben hat?«, fragte Schnur.
»Genau das. 2004 starb Alois Witzke. Hier steht, er hielt sich im Alten Mann auf und wurde verschüttet.« Andrea schaute fragend auf Schnur, der ihr sogleich die Antwort darauf gegeben konnte: »Der Alte Mann ist der ungeschützte Bereich, der nach dem Herausnehmen der Kohle zurückbleibt. Dort geht kein Bergmann freiwillig hinein.«
»Da haben wir es«, rief sie aufgeregt. »Und einfach so gerät auch bestimmt kein Bergmann zwischen Schildkappe und Gebirge.«
»Das ist wirklich ein ungewöhnlicher Unfall«, gab Schnur zu. »Die Schilde stützen das Gebirge über dem Streb. Sie bestehen aus hydraulischen Stützpfeilern mit Platten, auf denen die Last des Gebirges aufliegt. Immer wenn das Schild nachrückt, wird diese Platte heruntergefahren, das Schild rückt auf und die Platte fährt wieder hoch. Warum sich ein Bergmann dort oben aufhält, weiß ich nicht. Das sieht schwer nach Fremdeinwirkung aus, denn selbst kann er die Schildkappe von dort oben aus nicht hochgefahren haben.«
Eine Weile schwiegen sie, bis Andrea anfügte: »Ich habe noch einen weiteren tödlichen Unfall ausgegraben. Der liegt noch länger zurück, Im Jahr 2002 starb ein Horst Stänger. Er sei angeblich in den Kohlebrecher geraten.«
Schnur pfiff durch die Zähne.
»Ich frage mich, wie all diese Unfälle so still und heimlich unter den Teppich gekehrt werden konnten. Den Tod von Peter Dempler wollten sie auch als Unfall abhaken, wären wir nicht dazwischen gekommen. Wo waren wir, als die anderen Männer gestorben sind?«
Schnur grübelte eine Weile, bevor er antwortete: »Die anderen Männer sind alle unter Tage gestorben. Unfälle passieren nun mal unter Tage. Deshalb sollten wir mit diesen Informationen vorsichtig umgehen.«
»Trotzdem sehe ich auffallende Parallelen.«
»Ich gebe dir Recht«, meinte Schnur, um seine Kollegin zu beruhigen. »Aber wie ich deinen Angaben entnehme, war bei keinem dieser Todesfälle die Bergpolizei eingeschaltet.«
»Doch! Das Bergamt hat jeden Fall untersucht.«
»Gut zu wissen. Deshalb müssen wir zuerst einmal im Hintergrund recherchieren, bevor wir die Pferde scheu machen. Die Sache könnte nämlich äußerst brisant werden, wenn wir viel Wind machen, nachdem das Bergamt schon ermittelt hat.« Ein prüfender Blick, der Schnur bestätigte, dass Andrea seine Anweisung verstanden hatte, dann fügte er an: »Der Name Uwe Bendrup sagt mir etwas. Aber was?«
»Bei ihm wurde damals ebenfalls eingebrochen – wie bei Peter Dempler«, erklärte sie, »kurz vor seinem Tod.«
Schnur nickte.
»Das hat Erik herausgefunden«, fügte Andrea noch an. »Wo steckt Erik überhaupt?«
»Er wollte Anke besuchen. Sie ist heute von ihrer Kur nach Hause gekommen.«
»Oh! Wann fängt sie wieder an zu arbeiten?«
»Am Montag. Warum?«
Andrea fuhr sich durch ihre langen Haare, verzog das Gesicht zu seiner schiefen Grimasse und meinte zögerlich: »Weil ich dann wohl wieder in meine alte Abteilung wechseln muss.«
»Nein. Du bleibst hier«, bestimmte Schnur. »Solange Bernhard in der Fortbildung ist und Esther in ihrem einjährigen Urlaub, wären wir sonst unterbesetzt.«
»Danke! Ich freue mich für jeden Tag, den ich länger hierbleiben kann.«
»Sobald Kriminalrat Forseti aus dem Urlaub zurück ist, werde ich ihn davon überzeugen, dich ganz hierzubehalten«, versprach Schnur.
Andrea fühlte sich geschmeichelt.
»Dann wollen wir uns mal wieder um den Fall kümmern«, meinte
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