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Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
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und fragte:
    »Wo führt der Gang hin?«
    »Das ist kein Gang, das ist das Fahrfeld eines alten Strebs«, korrigierte Remmark.
    »Einverstanden«, brummte Kullmann. »Und wo führt das Fahrfeld hin?«
    »Auf die vierte Sohle«, antwortete Grewe. »Ich bin schon durchgeklettert.«
    »Ist Ihnen etwas auf dieser Strecke aufgefallen?«
    »Nein. Was sollte mir auffallen?«
    »Wir müssen damit rechnen, dass sich irgendwo in diesem unterirdischen Labyrinth noch ein weiterer Toter befindet«, erklärte Kullmann.
    »Vom Querschlag bis hierher lag niemand«, stellte Grewe klar.

    Anke saß bei Martha Kullmann am Küchentisch und aß das aufgewärmte Mittagessen. Die Knödel in Specksoße mit Sauerkraut und Püree dufteten allein schon so köstlich, dass Anke mehr aß, als sie eigentlich wollte. Doch der Genuss von Marthas häuslicher Küche war ihr zu lange versagt geblieben, weshalb sie in diesem Augenblick das Kalorienzählen einfach sein ließ. Lisa berichtete aufgeregt von ihrem Tag. Nach ihrer langen Fehlzeit hatte sie die Schule wieder besucht und an ihren Worten erkannte Anke, dass es ihr gut gefallen hatte. Damit hatten sich ihre Befürchtungen nicht bewahrheitet, dass Lisa diese lange Pause falsch interpretieren könnte, nämlich dass sie nicht mehr zur Schule gehen müsste. Das Gegenteil war der Fall. Je mehr Lisa erzählte, umso deutlicher erkannte Anke, dass sie den Ehrgeiz besaß, die fehlende Zeit aufzuholen. Nicht umsonst hatte Anke ständig mit ihr geübt – was nicht immer einfach gewesen war. Denn Lisa hatte keine Notwendigkeit darin gesehen, an einem schönen Kurort trockenen Lernstoff durchzunehmen. Doch jetzt strotzte sie vor Stolz, weil sie viel mehr wusste als alle anderen in der Klasse.
    »Die Lehrerin hat viele Fragen gestellt, die nur ich beantworten konnte«, sagte sie gerade ganz stolz, als die Haustür aufgesperrt wurde.
    Gespannt schauten alle zur Küchentür.
    Herein trat ein kohlrabenschwarzer Mann. Nur die Augen leuchteten hell. Darin blitzte der Schalk.
    Kullmann sah so verschmutzt aus, wie Anke ihn noch nie gesehen hatte. Sie lachte laut los. Lisa stimmte in das Lachen mit ein. Nur Martha fand das nicht so witzig.
    »Das glaube ich jetzt nicht«, schimpfte sie los. »Je oller, je doller!«
    Und Lisa lachte noch lauter.
    »Ich dachte, ich hätte einen erwachsenen Mann geheiratet«, nörgelte Martha weiter. »Und dazu noch einen Pensionär. Da habe ich mich ja gründlich getäuscht – in jeder Hinsicht. Zuerst einmal vergeht kein Tag ohne Arbeit für meinen Rentner und dann kommt so ein Dreckspatz nach Hause.«
    »Dreckspatz! Dreckspatz!«, rief Lisa ganz außer sich.
    Anke wollte sie unterbrechen, doch Martha meinte nur: »Lass sie doch. Sie hat doch recht.«
    Kullmann trat auf die Kleine zu und stupste ihr mit dem Finger auf die Nasenspitze, wobei er einen schwarzen Fleck hinterließ. »Jetzt siehst du mit deiner schwarzen Nase aus wie Micky Maus«, flüsterte er ihr ins Ohr.
    Kreischend vor Lachen hüpfte Lisa vor einen Spiegel. Sie war begeistert und wollte sich den Kohlenstaub nicht mehr aus dem Gesicht wischen lassen.
    »Du gehst sofort in den Keller, ziehst diese schmutzigen Sachen aus und duschst dich!«
    Kullmann zog den Kopf ein und schloss die Küchentür wieder hinter sich. Dann folgte ihm Martha, um ihm einen Morgenmantel hinterherzutragen.
    Als der Altkommissar erneut die Küche betrat, sah man seinem Gesicht die Bemühungen an, den schwarzen Kohlenstaub abzuwaschen. Trotzdem schimmerte immer noch das Schwarz um seine Augen herum.
    »Sag nur, du bist in die Grube gefahren?«, fragte Martha, während sie ihrem Mann einen Teller mit aufgewärmtem Essen auf den Tisch stellte. »Und da soll ich mir keine Sorgen machen.«
    Kullmann lachte verschmitzt. Alle sahen ihm an, dass ihm der Tag gut gefallen hatte. Er setzte sich an den Tisch und zog die Zeitung aus seiner Aktentasche mit der Bemerkung: »Die hätte ich nicht mit mir herumschleppen müssen. In der Kaffeeküche in Velsen lag sie auf dem Tisch.« Er begann zu blättern, bis er den Bericht über das Erlebnisbergwerk fand, und legte ihn offen auf den Tisch.
    »Dieses Bergwerk soll geschlossen werden«, berichtete er. »Das wäre schade, denn dort kann man ebenerdig in den Berg gehen. Dort sieht alles genauso aus wie unter Tage. Eine gute Gelegenheit, das Andenken an den Bergbau zu bewahren.«
    »Das werde ich mir mal anschauen«, beschloss Anke. »Und Lisa kann bestimmt auch mitgehen.«
    »Auf jeden Fall«, bestätigte Kullmann.

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