Blutige Seilfahrt im Warndt
könnte doch sein, dass unser Serienmörder Hilfe hat«, erklärte Schnur.
»Jetzt wird es immer abenteuerlicher«, schaltete sich die Staatsanwältin ein. »Ich bin immer noch der Auffassung, wir sollten diese Undercover-Aktion abbrechen.«
»Und was machen wir dann?« Schnur schnaubte. »Das Oberbergamt hat zwar eingewilligt, dass wir im Erlebnisbergwerk ermitteln. Aber unter Tage dürfen wir nach wie vor nichts tun?«
»Dafür über Tage – da haben wir freie Hand.«
»Wissen die Beamten von unserem Mann, den wir unter Tage eingeschleust haben?«, fragte Schnur.
»Nein.«
Mit dieser Antwort löste Ann-Kathrin große Unruhe aus.
»Warum nicht? Wir waren uns doch einig, dass es zu gefährlich ist, weiter auf eigene Faust an dem Fall zu arbeiten.«
»Ich habe es mir anders überlegt«, gab Ann-Kathrin scharf zurück. »Meine Erfahrung ist die, dass es immer besser ist, je weniger davon wissen. Wer weiß, ob wir uns nicht eine undichte Stelle schaffen, wenn wir das Oberbergamt in diese Aktion mit einschalten.«
»Was hat dich zu deiner neuen Erkenntnis gebracht?«
»Ich kenne diese Leute nicht, habe noch nie mit ihnen zusammengearbeitet. Wie kann ich ihnen da vertrauen?«
Schnur lehnte sich nachdenklich zurück. Diesen Aspekt hatte er nicht bedacht. Ann-Kathrin war scharfsichtig und clever. Sie zu unterschätzen könnte sich als Fehler herausstellen. Und genau diesen Fehler hatte er gemacht.
In die Stille hinein plärrte plötzlich in voller Lautstärke das Lied Männer sind Schweine. Alle schauten erschrocken auf Schnur, der mit bleichem Gesicht in seine Hemdtasche griff und sein Handy herauszog. Der Text ging weiter » … traue ihnen nicht ein Wort. Sie wollen alle nur das eine … « Hastig drückte er darauf herum, bis das Gedudel aufhörte. Stattdessen war eine Frauenstimme zu hören. Wieder drückte er hastig auf das kleine Gerät, bis es ganz verstummte.
Bonhoff riss die Augen weit auf vor Erstaunen. Grewe hatte Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Erik schaute angestrengt aus dem Fenster, das auf den grauen Himmel zeigte. Anke wischte sich Fussel von der Hose, wo keine waren. Kullmann schnäuzte sich umständlich in sein Taschentuch.
»Ich werde meinen Sohn eigenhändig erwürgen«, brummte Schnur mit hochrotem Kopf.
»Ich finde, dein Sohn hat Klasse«, erwiderte Andrea frech.
»Wie meinst du das?«
»Er sieht mehr, als du denkst und öffnet dir mit diesen Scherzen die Augen.«
Schnur schaute sich um und sah bestätigt, was Andrea meinte. Alle schauten angestrengt weg – nur Ann-Kathrin schoss mit ihren Blicken giftige Pfeile.
Schnell kehrte er zum eigentlichen Thema zurück, weshalb sie hier alle versammelt waren, indem er zu Grewe sagte: »Wie du gerade erfahren hast, ist dein Einsatz in doppelter Hinsicht gefährlich. Du kannst jederzeit aufhören. Wir zwingen dich zu nichts. Denn wir stehen alleine da und können nicht helfen, sollte es da unten eskalieren.«
»Ich werde weiter dort unten ermitteln, weil wir diese vielen Todesfälle sonst nicht aufklären können«, beharrte Grewe.
»Und er ist nicht allein«, mischte sich zum ersten Mal Michael Bonhoff in das Gespräch ein. »Ich werde auch da sein.«
Grewe wollte ihn daran hindern, diesen Satz zu sagen, doch jetzt war er heraus.
»Da ist gut zu wissen«, gab Schnur zurück.
»Außerdem meinte Herr Grewe, ich sollte Ihnen hier und jetzt meine Beobachtungen berichten, die ich schon seit Jahren unter Tage mache«, fuhr Bonhoff fort.
Schnur forderte den Bergmann auf zu sprechen.
»Ich sehe immer wieder, wie sich einige Männer von unserer Partie bei Störungen absetzen, über den Bandberg auf die fünfte Sohle fahren und sich dort mit anderen Kameraden treffen.«
»Kameraden aus anderen Partien?«, hakte Schnur nach.
Bonhoff nickte und sprach weiter: »Dort tauschen ständig kleine Päckchen ihre Besitzer.«
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Alle sprachen gleichzeitig los, bis es Schnur gelang, sich durchzusetzen und wieder Ruhe ins Büro zu bringen.
»Das könnte die Geldquelle sein, die wir verzweifelt suchen«, brachte er es auf den Punkt. »Drogenhandel unter Tage. Raffinierter geht es kaum.«
»Werden diese Männer nicht überprüft, wenn sie zur Grube fahren?«, fragte Ann-Kathrin fassungslos.
»Kein Polizist hält einen Bergmann an, der zur Schicht fährt«, erwiderte Bonhoff.
»Das bringt mich auf die Idee, was bei den Einbrüchen der Opfer gestohlen wurde«, rief Andrea. »Ich habe nämlich erfahren, dass
Weitere Kostenlose Bücher