Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Seilfahrt im Warndt

Blutige Seilfahrt im Warndt

Titel: Blutige Seilfahrt im Warndt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Schwab
Vom Netzwerk:
»Du meinst also, dass Karl Fechter als Phantom unter Tage herumgeistert und seine ehemaligen Kameraden ermordet?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Schnur zu. »Ehrlich gesagt, klingt das auch für mich ein bisschen weit hergeholt. Wie sollte der Mann über elf Jahre unentdeckt hier gelebt haben? Das erscheint mir unmöglich.«
    Grewe atmete erleichtert durch. Die Vorstellung, in einem Stoß zu arbeiten, der von einem Phantom bedroht wurde, war nicht verlockend. Ein realer Gegner wäre ihm lieber.
    »Dieser Sache werden wir gründlich nachgehen, um uns davon zu überzeugen, ob es wirklich eine Möglichkeit für Karl Fechter gegeben hat, den Grubenbau wieder lebend zu verlassen«, beschloss Schnur. »Aber damit haben wir eine Frage immer noch nicht geklärt.«
    »Und welche?«
    »Warum war die Tür zur Gezähekammer zugesperrt, obwohl sich dort zwei Männer aufhielten?«
    Grewe stutzte. Soweit hatte er noch gar nicht gedacht. Er starrte auf seinen Chef und fragte: »Du meinst, die hat jemand absichtlich dort eingesperrt?«
    Schnur nickte!
    »Und mit dieser neuen Theorie, dass Karl Fechter diesen Anschlag überlebt hat …« Grewe konnte nicht weitersprechen.

    Abgestandene Luft schlug Anke und Erik entgegen, als sie Tim Fechters Wohnung betraten. Der Mann, der ihnen die Tür öffnete, sah jugendlich und modern aus, was in einem krassen Gegensatz zu seiner trostlosen Wohnung stand.
    Anke schaute sich staunend um und fühlte sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. Die Tapeten waren in dezenten Farben gehalten, deren einziger Farbtupfer darin bestand, dass jeden Raum eine Art Bordüre in gleicher Höhe zierte, deren Verschnörkelung kitschig aussah. Dieses Muster hatte Anke schon ewig nicht mehr gesehen. Hinzu kam der Grauschimmer, der den Tapeten anhaftete. Auch die Fenster wirkten stumpf, als seien sie schon lange nicht mehr geputzt worden. Ebenso die Spiegel.
    Tim Fechter wirkte in dieser Wohnung deplatziert. Seine Haare leuchteten blond. Ebenso sein Bart. Dazu schimmerten seine Augen in einem strahlenden Blau. Ein schöner Mann, wie Anke anerkennend feststellte. Nur verstand sie nicht, wie er in einem solch vernachlässigten Umfeld leben konnte. Aber sie war keine Innenarchitektin, sondern Polizeibeamtin. Und inzwischen zog sich das Schweigen so sehr in die Länge, dass es peinlich wurde. Also beschloss sie, den Anfang zu machen: »Sicher können Sie sich denken, warum wir mit Ihnen sprechen wollen.«
    Tim bot den beiden Polizeibeamten an, sich an den kahlen Küchentisch zu setzen. Erst als alle Stühle geräuschvoll auf dem PVC-Boden hin und her geschoben worden waren und wieder Stille herrschte, antwortete er: »Vermutlich, weil Sie Winni Bo gefunden haben.«
    »Mit Winni Bo meinen Sie Winfried Bode?«, hakte Anke nach.
    Tim nickte.
    »Winfried Bode ist am gleichen Tag wie Ihr Vater verschwunden«, fuht Anke fort. »Nun hat die Grubenwehr den ganzen Bereich abgesucht, in dem Winfried Bode gefunden wurde, aber keine weitere Leiche gefunden.«
    »Deshalb sind Sie extra hierhergekommen?«, fragte Tim.
    »Es stimmt, wir sind hierhergekommen, weil die Suche nichts ergeben hat. Wie wir inzwischen wissen, ist die Wand zur Gezähekammer eingestürzt. Winfried Bode kam dabei ums Leben. Wäre Ihr Vater ebenfalls an dieser Stelle gestorben, hätte seine Leiche dort liegen müssen.«
    »Sie meinen also, mein Vater würde noch leben?«
    »Ist das so unwahrscheinlich?«
    Tims Gesicht wirkte plötzlich eingefallen, seine Barthaare glanzlos, seine Augen trüb. Eine Weile sagte er nichts. Er starrte durch die beiden Beamten hindurch, bis er sich räusperte, auf seinem Stuhl nervös hin und her rutschte und meinte: »Das ist starker Tobak. Mein Vater und ich hatten ein gutes Verhältnis. Hätte er diesen Ansch… äh … diese Sache überlebt, wäre er zu mir zurückgekommen.«
    »Sie wollten gerade Anschlag sagen«, hakte Anke nach. »Wie kommen Sie darauf, dass ein Anschlag auf Ihren Vater und seinen Kameraden verübt wurde?«
    »Das war ein Versprecher«, blockte Tim ab.
    »Das klang mir mehr wie ein Ausrutscher – nämlich, dass Sie fast das gesagt hätten, was Sie denken.«
    »Sie sehen hinter jedem Zögern, hinter jedem Versprecher sofort etwas Verdächtiges«, meinte Tim und setzte plötzlich ein Lachen auf, das so entwaffnet war, dass Anke sich irritiert fühlte. »Ihr Beruf macht Sie aber sehr negativ in Ihrer Denkweise. Das ist schade.«
    Nun geriet Anke noch mehr ins Staunen.
    »Eine schöne Frau wie Sie

Weitere Kostenlose Bücher