Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
Vom Netzwerk:
volllaufen lassen und dann feige verabschiedet.«
    Keiner von uns empfindet Mitleid mit diesem Mann, der ein fünfzehnjähriges Mädchen mit Drogen vollgepumpt und vergewaltigt hat. Trotzdem empfinde ich es nicht so, dass damit der Gerechtigkeit Genüge getan wurde, kann auch keinen richtigen Schlussstrich ziehen. Es gibt bloß einen toten Mann, eine tote Familie und hundert Fragen, die niemals beantwortet werden.
    Ich will mir das jetzt nicht alles vor Augen führen und drücke auf mein Ansteckmikrophon. »Ich habe einen 10–84 im Melody Trailer Park, Decker fünfundreißig. Können Sie etwas für mich überprüfen?«
    »Verstanden, wird gemacht«, erwidert Lois.
    »Der Tote heißt Todd Long. Können Sie herausfinden, wer seine nächsten Verwandten sind? Und ich brauche sämtliche Kontaktinfos.«
    »Mach ich, Chief.«
    In dem Moment erscheint Glock an der Tür, den Blick auf die Leiche gerichtet. »Verdammt. Der Scheißer hat sich selbst ins Jenseits befördert, oder?«
    »Sieht so aus.« Trotzdem bereitet das Szenario mir ein undefinierbares Unbehagen. Anstatt erleichtert zu sein, habe ich das Gefühl, etwas nicht richtig abgeschlossen zu haben.
    Ich lasse den Blick durchs Zimmer schweifen und sehe nur Chaos. Bei der Vorstellung, hier alles auf den Kopf stellen zu müssen, graust es mir. Menschlicher Dreck, womöglich vermischt mit kontaminierten Substanzen, widert mich an. Aber ich werde wohl trotzdem nicht so schnell hier wegkommen.
    Einen Moment lang stehen wir drei nur da und starren Longs leblosen Körper an. Ernüchterung ist eingetreten. Mein Wunsch, ihn zu verhaften und endlich zu erfahren, was sich im Haus der Planks abgespielt hat, bleibt unerfüllt. Ich bin nicht stolz darauf, doch den Scheißkerl, der sieben Menschen auf dem Gewissen hat, hätte ich mir gern selbst vorgeknöpft.
    »Er kam mir nicht vor wie einer, der plötzlich sein Gewissen entdeckt«, bemerke ich.
    »Wahrscheinlich hat ihn die Vorstellung, ins Gefängnis zu wandern, dazu gebracht«, erwidert Tomasetti.
    »Erspart dem Steuerzahler einen Haufen Geld«, sagt Glock.
    Ich starre den Toten an, verfluche ihn im Stillen. »Mal sehen, was er uns so hinterlassen hat.«
    ***
    Es ist brütend heiß, als Glock, Tomasetti und ich sämtliche Schubladen, Schränke und anderen denkbaren Verstecke durchsuchen. Sorgfältig verpacken wir alles in Tüten, ohne der später eintreffenden Spurensicherung das Leben unnötig schwer zu machen. Unsere Mühe wird belohnt. Um zwölf Uhr mittags haben wir drei große Plastikbehälter mit eingetütetem und beschriftetem Beweismaterial gefüllt – Fotos, ein halbes Dutzend CD s, mehrere Sorten nicht identifizierte Pillen, eine Videokamera, Bücher über Fotografie, Pornozeitschriften, Kleidung. Und die rausgerissene Seite eines Blocks mit einem handgeschriebenen Abschiedsbrief.
    Ich halte den Beutel hoch, starre die kindliche Schrift an, »Long hat bei der Bahn gearbeitet«, wende ich mich an Glock. »Können Sie kurz hinfahren und eine Schriftprobe holen, zum Vergleich?«
    »Okay«, erwidert er, sieht mich aber fragend an. »Sie bezweifeln, dass er ihn selbst geschrieben hat?«
    »Ich will nur sichergehen.«
    Glock macht sich sofort auf den Weg. Mir ist bewusst, dass Tomasetti mich immer wieder aus den Augenwinkeln heraus beobachtet, während er die letzten Tüten beschriftet und in den Behälter legt. Er sagt nichts, aber ich weiß, was er denkt – dass ich zu gründlich bin und nach Dingen suche, die nicht da sind. Denn ich kann mir noch so große Mühe geben, die Planks werden dadurch nicht wieder lebendig.
    Doc Coblentz ist seit einer halben Stunde hier, er hatte also genug Zeit, um sich ein erstes Bild zu machen. »Was glauben Sie?«, frage ich ihn.
    Der Doktor trägt olivgrüne Hosen. Sein OP -Kittel ist im Rücken und unter den Armen schweißnass. Er schüttelt den Kopf. »Vor ein paar Wochen habe ich im Forschungsinstitut des Nationwide Children’s Hospital in Columbus an einem Seminar teilgenommen. Dabei haben wir auch die Krebsstation besucht, wo Kinder mit Hirntumoren, Lymphknotenkrebs und Leukämie liegen. Kranke Kinder, die alles dafür geben würden, draußen im Freien spielen zu können.« Kopfschüttelnd zeigt er auf Long. »Wenn ich dann so etwas sehe, wünschte ich, es gäbe einen Weg, einem der Kinder so ein vergeudetes Leben zu schenken.«
    »So fair ist das Leben aber nicht.« Dieses Eingeständnis lässt mich seufzen. »Und, glauben Sie, es war Selbstmord?«
    »Allen Anzeichen nach hat er

Weitere Kostenlose Bücher