Blutige Stille. Thriller
sich die Mündung in den Mund gesteckt und abgedrückt. Die Kugel ist dabei leicht nach oben abgewinkelt durchs Kleinhirn gedrungen und am Hinterkopf wieder ausgetreten. Wahrscheinlich war er sofort tot. Ich mache natürlich noch eine Autopsie und einen Rauschmitteltest, aber vorerst würde ich sagen, der Mann hat sich selbst getötet.«
Keine ermutigende Aussage. Ich bin auf der Suche nach Antworten, und Long wird sie mir nicht mehr geben.
Tomasetti kommt zu uns. »Ich glaube, wir sind durch.«
»Hat Glock unter dem Wagen nachgesehen?« Kriminelle Wohnmobilbewohner benutzen den Zwischenraum gern als Versteck.
Er nickt. »Er hat die Schutzverkleidung abgerissen und ist druntergekrochen. Da war aber nichts.«
Ich blicke aus dem Fenster. In der Einfahrt steht ein Krankenwagen, der den Toten ins Leichenschauhaus bringen wird. Auch ich sollte so schnell wie möglich hier verschwinden, wo die Luft von Tod und Blut erfüllt ist. Ich sollte das gesammelte Beweismaterial durchsehen, den Papierkram erledigen und den Fall abschließen. Und froh sein, endlich wieder ein normales Leben führen zu können. Aber das kann ich nicht. Denn ich habe das untrügliche Gefühl, dass die Sache noch nicht erledigt ist.
Tomasetti scheint Gedanken lesen zu können. »Irgendwas stört dich.«
»Für mich ist Long nicht der Typ, der sich selbst umbringt.«
»Er saß schon mal im Gefängnis. Vielleicht hatte er so einen Horror davor, dass er sich fürs Jenseits entschieden hat.«
»Verdammt. So hätte es nicht enden müssen.«
»Hätte schlimmer kommen können.« Er zeigt auf Long. »Stell dir vor, er wäre verschwunden und untergetaucht.«
Ich denke an Mary Plank. Die zerstörten Hoffnungen und Träume. So viele Leben viel zu früh zu Ende. Und weshalb? Geld? Sexuelle Befriedigung? Grausamkeit um der Grausamkeit willen?
»Ich wollte wissen, warum er die Familie getötet hat«, sage ich.
»Unsere Arbeit läuft nicht immer nach Wunsch.« Er deutet mit dem Kopf zu den Plastikbehältern. »Ich glaube, die einzigen Antworten, die wir noch kriegen, sind da drin.«
***
Es dämmert bereits, als Tomasetti und ich schließlich auf dem Revier eintreffen und die Plastikbehälter hineintragen. Im Eingangsbereich riecht es nach Nagellack und Obsession, dem Parfüm von Jodie, der neuen Telefonistin. Sie empfängt uns mit einem filmreifen Lächeln. Doch ihre enge schwarze Hose und figurbetonte weiße Tunika sind zu sexy für ein Polizeirevier. Genau das, was ich jetzt brauche. »Hi, Leute«, begrüßt sie uns munter.
T.J. und Glock haben uns anscheinend kommen hören, denn sie stehen auf und sehen uns über die anderthalb Meter hohen Wände ihrer Arbeitsplätze an. »Sollen wir helfen?«, fragt T.J.
»Das ist deine Chance, Jodie deinen Bizeps zu zeigen«, sagt Glock mit gesenkter Stimme.
T.J. gibt ihm einen etwas zu kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. »Halt die Klappe, du Scheißer.«
Sie sind gut drauf, so wie ich es auch sein sollte, wo wir jetzt einen der brutalsten Fälle in der Geschichte von Painters Mill abschließen können. Froh, dass es vorbei ist. Doch ich bin es nicht und habe auch nicht die Energie, es vorzugaukeln.
Wir tragen die Behälter in den zum Besprechungszimmer umgewandelten Lagerraum. Danach verschwinden Glock und T.J. wieder in ihren Boxen, und ich fahre meinen Laptop hoch. »Ich will wissen, was auf den CD s ist.«
»Dann hast du ja eine Menge zu tun.« Tomasetti geht zur ersten Box, sucht einen Moment herum und reicht mir eine CD . Ich stecke sie in den Laptop, und während das Antivirenprogramm läuft, lese ich zum x-ten Mal den Abschiedsbrief auf der Suche nach einem verstecken Hinweis. Doch den gibt es nicht.
Ich kann nicht mehr. Ich kann mit dem, was ich getan habe, nicht leben. Ich habe Mary geliebt. Sie war süß und schön und liebenswürdig. Aber sie hat ihren Eltern von dem Kind erzählt. Sie wollte es allen erzählen, und da bin ich ein bisschen durchgedreht. Es tut mir so furchtbar leid. Mom, du weißt, dass ich kein Mörder bin. Du brauchst keine Schuldgefühle zu haben. Ich bin total am Arsch. Das Meth hat was mit meinem Kopf gemacht. Es tut mir leid, dass du jetzt damit fertig werden musst, aber ich wollte nicht noch mal ins Gefängnis. Es gibt keinen anderen Weg. Ich liebe dich, Blinky.
Ich schüttele den Kopf, wütend, dass es keine wirklichen Antworten gibt. »Verdammter Feigling.«
Als ich aufblicke, sehe ich, dass Tomasetti mich aufmerksam beobachtet. »Mit dir alles in Ordnung?«
»Mir
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