Blutige Stille. Thriller
Betreten der Küche weht mir kühle Luft um die Beine. Meine Nackenhaare sträuben sich, als im Schein eines Blitzes die Silhouette eines Mannes sichtbar wird, der innen neben der Tür steht. Adrenalin durchflutet meinen Körper. Ich schiebe die Hand in die Tasche, umschließe den Griff der .38er, ziehe sie raus, Finger am Abzug.
Ich hab dich, Scheißkerl.
»Polizei!«, schreie ich. »Hände hoch.«
Blitze leuchten wie Blinklichter auf, geben für Sekunden den Blick frei auf nasse Haare in einem bleichen Gesicht. Wasser tropft auf den Boden. Ich kenne den Kerl. Es ist Jack Warner.
Er ignoriert meinen Befehl.
»Hände hoch«, schreie ich noch mal. »Sofort.«
Er hält etwas in der Hand, doch es ist zu dunkel, um es genau zu erkennen. Er hebt die Hand, und ich feuere zwei Mal hintereinander, ziele genau in die Körpermitte. Der Knall des Schusses geht im Donner unter. Warner zuckt, dann geht er in die Knie.
Etwas fällt scheppernd auf den Boden. Eine Pistole. Ich stoße sie mit dem Fuß außer Reichweite, halte meine Waffe weiter auf ihn gerichtet. »Legen Sie sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden. Sofort.«
»Du hast auf mich geschossen.«
Seine Stimme klingt verblüffend jungenhaft. Ich zittere am ganzen Körper, doch meine Hand mit der Pistole ist ruhig. Wenn er sich bewegt, werde ich ihn bedenkenlos ins Jenseits befördern. »Rühren Sie sich nicht«, sage ich und greife nach meinem Ansteckmikro.
»Lass die Waffe fallen oder ich erschieße dich auf der Stelle.«
Die Stimme kommt von hinten. Der Schock trifft mich wie ein Hammerschlag.
Sie sind zu zweit
. Er hat mich eiskalt erwischt. Eine Sekunde lang überlege ich, herumzuwirbeln und loszuballern, doch dann senke ich die Hand mit der Pistole und drehe mich langsam um, sehe die schwarze Silhouette eines Mannes mit abgesägter Flinte.
Blitze leuchten auf.
Es ist Scott Barbereaux. Die Flinte ist auf mich gerichtet, ich kann die Mordlust in seinen Augen sehen und weiß so sicher, wie es draußen schüttet, dass er mich töten wird.
»Lass die Waffe fallen.«
Da ich eine zweite habe, halte ich ihm die .38er am Lauf hin.
Barbereaux macht keine Anstalten, sie zu nehmen. »Hinlegen und zu mir kicken.«
Da mir nichts anderes übrig bleibt, lege ich die Waffe langsam auf den Boden, stoße sie mit dem Fuß zu ihm hin, aber so, dass er näher kommen muss, um sie aufzuheben.
Er blickt zu seinem Kumpel. »Wie schlimm bist du verletzt?«
»Sie hat mich zweimal erwischt«, bringt er mühsam hervor. »Ich blute stark. Ich glaube, es ist schlimm.«
»Das wird wieder. Halt durch.«
In dem Moment wird mir klar, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Entsetzen packt mich, und ich überlege, ob ich mein Ansteckmikro unbemerkt anmachen kann. Doch selbst wenn ich es schaffe, werden Skid und T.J. nicht rechtzeitig hier sein, es sei denn, ich lenke Barbereaux und Warner mit Reden ab.
Ich blicke auf Warner hinab. Er liegt links von mir auf dem Boden, leicht gekrümmt und beide Hände fest auf den Unterleib gedrückt. Eine langsam anwachsende Blutlache breitet sich wie ein schwarzer Heiligenschein um ihn herum aus.
Ich wende mich Barbereaux zu. »Ich bin Rettungssanitäterin, ich kann seine Blutung stoppen.«
Barbereaux reißt die Flinte hoch. »Wo ist der verdammte amische Junge?«
Er glaubt also wirklich, dass Billy Zook ihn identifizieren kann. Ich überlege schnell, wie ich das für mich nutzen kann, wobei mir Dutzende Lügen durch den Kopf gehen. »Ich bringe Sie zu ihm«, sage ich.
»Du erzählst mir sofort, wo er ist, oder ich knalle dich auf der Stelle ab«, stößt er zwischen den Zähnen hervor.
»Ich bin Polizistin, Scott. Wenn Sie mich töten, kriegen Sie ne Giftspritze in den Arm.«
Hinter mir höre ich Warner jammern. »Ich muss ins Krankenhaus.«
Ich sehe ihn an. Die Blutlache ist jetzt doppelt so groß wie noch kurz zuvor, ich kann den üblen, eisenähnlichen Metallgestank sogar riechen. »Er verblutet. Lassen Sie mich ihm helfen.«
Sein Gesicht zeigt keine Regung. Er hat kein Mitleid mit dem sterbenden Mann, keine Angst, entdeckt zu werden. Ich erkenne darin nur eines: den Entschluss zu töten, und zwar mich. »Du hast eine letzte Chance. Wo ist der verdammte Junge?«
»Er ist an einem sicheren Ort, bewacht von Dutzenden Polizisten –«
Barbereaux ist so schnell, dass ich den Schlag nicht kommen sehe. Gerade noch habe ich nach einer Lüge gesucht, um mich hier rauszuwinden, jetzt taumele ich hilflos zur Seite. Einen verrückten
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