Blutige Stille. Thriller
nochmal, Kate.«
Er riss den Kühlschrank auf, nahm eine Flasche Wasser heraus und trank sie in einem Zug leer. Er war nicht betrunken, aber nüchtern war er auch nicht. Auto fahren konnte er zwar noch, aber wenn die Polizei ihn anhielt und seinen Atem roch, hatte er eine Anklage wegen Trunkenheit am Steuer am Hals. Und das konnte er sich in seiner Situation nun wirklich nicht leisten.
Fluchend nahm Tomasetti eine zweite Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, schnappte sich den Autoschlüssel von der Ablage und stürmte aus dem Haus.
***
Es ist drei Uhr morgens und im Haus so still, dass ich den brennenden Docht der Laterne knistern höre. Der Wind weht zum Fenster über der Spüle herein. Ich sitze am Küchentisch, zwei Hosen und einen offenen Nähkorb vor mir. Ich habe mich schon ein paar Mal am Fenster gezeigt, bin allem Anschein nach als Einzige in der Familie noch wach. Und bereit. Doch das bin ich schon mein halbes Leben lang, wie Tomasetti meint.
Ich gebe mir alle Mühe, mich auf meine Aufgabe hier zu konzentrieren, doch in den letzten Stunden sind meine Gedanken immer wieder zu ihm abgewandert. Unser letztes Telefongespräch – was wir beide gesagt haben – liegt mir im Magen. Zu viele Emotionen waren im Spiel, vielleicht auch ein bisschen Wahrheit, wobei ich nicht weiß, was schlimmer ist.
Ich stehe mit der Hose in der Hand auf und gehe dicht am Fenster vorbei ins Badezimmer, setze mich auf den Wannenrand und melde mich bei meinen beiden Kollegen.
»Sind Sie beide da?«
»Ich schwöre, wenn der Kerl heute Nacht nicht auftaucht, setze ich morgen eine Gasmaske auf«, sagt Skid.
Die Stille im Haus macht mir genug zu schaffen, um seinen schrägen Sinn für Humor zu goutieren. »T.J.?«
»Es wird stürmisch, Chief. Im Radio geben sie schon Warnungen raus.«
»Halten Sie die Augen offen. Er könnte sich im Schutz des Sturmes ans Haus schleichen.«
»Nur zu«, kommentiert Skid.
»Ich mache gleich das Licht aus, bleibe aber weiter in der Küche, nur dass Sie das wissen.«
»Verstanden, Chief.«
Ich nehme die Hose und verlasse das Badezimmer. Der Donner kommt jetzt näher, ein tiefes Rumpeln, das die Fensterscheiben leise zittern lässt. Die Luft ist schwer von der Schwüle des vergangenen Tages und hat den erdigen Geruch von Regen. Ich mache alle Laternen im Erdgeschoss aus, dann gehe ich nach oben, wo ich das letzte Licht lösche. In dem Moment klatschen die ersten fetten Tropfen von Westen her an die Fenster.
Ich kann die Kraft des Sturms geradezu fühlen, die energiegeladene Luft, die den baldigen Ausbruch von Gewalt ankündigt. Die auch meinen Körper durchströmt. Raubtier jagt Raubtier. Ich bin bereit.
Die Wolkendecke löscht auch den letzten Rest Mondlicht, und im Haus ist es stockfinster. Auf dem Weg nach unten wünschte ich, eine Taschenlampe benutzen zu können. Doch die Dunkelheit schärft alle anderen Sinne, und ich würde trotz des Donners und prasselnden Regens sofort merken, wenn noch jemand im Haus wäre.
Zudem wirken die .38er in der Schürzentasche, die .22er am Oberschenkel und das Messer im Stiefel durchaus beruhigend. Die Platzierung der jeweiligen Waffe ist in meinem Gehirn eingebrannt, der Griff danach wird instinktiv sein, ohne einen Moment des Zögerns. Als ich an der Eingangstür vorbeikomme, drehe ich am Knauf. Sie ist unverschlossen, wie es sein soll. Ich spähe aus dem Fenster. Blitze leuchten auf, tauchen den weißen Holzzaun und den Kirschbaum vor der Veranda in helles Licht. Es gießt jetzt in Strömen. Die Zweige an den Bäumen schwingen im Wind wie dürre Finger, die nach dem Nachthimmel greifen.
Der Regen beeinträchtigt die Sicht. Wenn sich dem Haus jemand zu Fuß nähert, ist es gut möglich, dass weder Skid noch T.J. es mitbekommen und mich nicht warnen können. Doch das beunruhigt mich kaum, denn der Mörder geht davon aus, eine amische Familie und nicht eine bewaffnete Polizistin hier vorzufinden.
Vom Wohnzimmer gehe ich in die Küche, behalte aber immer die Fenster im Auge. Inzwischen bin ich mir sicher, dass jemand, der ins Haus eindringen will, durch die Hintertür kommt. Sie ist am weitesten von den Schlafzimmern entfernt und kann vom Weg aus nicht eingesehen werden. Außerdem hat sie eine Glasscheibe, die man notfalls einschlagen kann. Doch das wird nicht nötig sein, denn sie ist unverschlossen …
Ich werde die Nacht in der Küche verbringen, am Tisch, denn von dort aus habe ich sowohl die Hinter- als auch die Eingangstür im Blick.
Beim
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