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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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der Art zu tun, wie die Leichen zur Schau gestellt sind. Die Tatsache, dass sie nackt sind, und dass sie gefoltert wurden.« Ich denke jetzt laut, formuliere ad hoc Ideen und Theorien. »Das Ganze hat ein sehr visuelles, fast theatralisches Element.«
    Glock ist ein guter Brainstorming-Partner und nimmt den Faden auf. »War die Tat geplant?«, fragt er.
    »Wenn er sie schon vorher belauert hat, musste er wissen, dass der Rest der Familie da war«, erwidere ich. »Dass er die anderen auch umbringen muss.«
    »Vielleicht ist sein Zwang so stark, dass ihm Kollateralschäden egal sind.«
    Doc Coblentz greift ein. »Der Mörder hat viel Zeit damit verbracht, die beiden jungen Mädchen zu foltern.« Er holt einen neuen Latexhandschuh aus der Arzttasche und streift ihn sich über. »Sehen Sie sich das an.«
    Glock und ich folgen ihm zu Mary Planks Leiche. Mit einem frischen Watteträger deutet er auf mehrere hellrote Male auf Pobacken, Schenkeln und Brüsten. »Das sind Verbrennungen.«
    »Von einer Zigarette?« Mein Verstand spekuliert schon mit der Möglichkeit, auf einer Kippe DNA zu finden.
    »Lötlampe.«
    »Krankes Schwein«, murmelt Glock.
    Düster nickend lenkt der Doktor meine Aufmerksamkeit auf zahlreiche längliche Blutergüsse auf Po und Rücken. »Ich glaube, die stammen von einem kleinen Holzknüppel.«
    »Er hat ihnen Verbrennungen zugefügt, sie geprügelt und vergewaltigt.« Ich spüre, wie mein Magen sich langsam Richtung Hals bewegt. »Und dann hat er sie getötet.«
    Einen Moment lang ist nur das Brummen des Generators zu hören.
    Ich wende mich Glock zu. »Tüten Sie die ganzen Werkzeuge ein und schicken Sie sie per Kurier zum BCI . Das Labor soll gleich bei Dienstbeginn damit anfangen.«
    Glock holt Plastikbeutel und Aufkleber aus dem Koffer. »Wird erledigt.«
    »Ich rufe dort an.« Ein Seufzer entfährt mir, denn der Tag hat zwar schon schlecht angefangen, aber ich weiß, dass es noch schlimmer kommen wird.
    Ich ziehe mein Mobiltelefon aus der Tasche und verlasse die Sattelkammer. Skid und Pickles stehen vor der Tür. Beide tragen noch immer Latexhandschuhe und Schuhhüllen. Um am Tatort keine Spuren zu vernichten und Beweise nicht zu kontaminieren, habe ich die Zahl der Leute, die sich in Haus und Scheune aufhalten dürfen, auf mich, Glock, Skid, Pickles und Doc Coblentz begrenzt. Deshalb müssen wir uns auch um die Toten kümmern.
    »Der Doktor braucht Hilfe, um die Toten abzuhängen«, sage ich.
    Die Männer hätten sich gern davor gedrückt, das sehe ich ihren bleichen Gesichtern an. Doch sie sind viel zu professionell, um sich zu beschweren.
    »Ich möchte, dass Sie komplette Schutzkleidung tragen, einschließlich Plastikhaube. Und stecken Sie die Hände der Opfer in Beutel.«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, marschiere ich den Gang entlang. Meine Stiefel dröhnen etwas zu kräftig auf dem festen Lehmboden, und als ich schließlich das Scheunentor erreiche, zittere ich am ganzen Leib. Im Freien kann ich endlich wieder atmen, stehe da und sauge die frische Luft tief ein, werde ruhiger. Der Himmel im Osten hellt sich schon auf. Nicht weit von mir rascheln die Blätter der Ahornbäume in der kühlen Brise. Auf der Zufahrtsstraße stehen drei Krankenwagen, um die Toten abzutransportieren. All das macht mir bewusst, dass ich noch lebe und selbst im Angesicht des Todes das Leben weitergeht.
    Ich nehme mein Handy und tippe John Tomasettis Privatnummer ein, die ich auswendig kenne. Seit ungefähr zehn Monaten haben wir ein Verhältnis, allerdings mit Unterbrechungen, weil wir nicht gerade Beziehungsmenschen sind. Was wohl mit dem Gepäck zu tun hat, das wir beide mit uns herumschleppen. Das hatte ihn natürlich nicht von dem Versuch abgehalten, mich ins Bett zu kriegen, dem ich wider besseres Wissen erlegen war.
    Dass wir beide Probleme haben, ist noch eine Untertreibung. Die von Tomasetti rühren hauptsächlich daher, dass vor zweieinhalb Jahren seine Frau und seine beiden Töchter ermordet wurden, was der grauenhafte Racheakt eines Berufskriminellen war. Ich sehe natürlich die Ähnlichkeit zu diesem Fall, weshalb ich mit dem Anruf auch so lange gewartet habe, wie ich mir jetzt eingestehe. Er ist ein starker Mann, doch selbst starke Männer haben Belastungsgrenzen.
    Aber ich brauche seine Hilfe, seine Kompetenz, seinen Instinkt und seine Unterstützung. Meine Erfahrung in all den Jahren als Polizistin hat mich gelehrt, dass die Lebenden Vorrang haben. Mit den Toten können wir uns in unseren Albträumen

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