Blutige Stille. Thriller
zurückgelassen.«
»Mist.«
Nach dem, was ich auf der Plank-Farm gerochen habe, gibt es für mich schlimmere Gerüche als Schweinemist, doch ich sage nichts.
Wir passieren einen kleinen Schweinepferch mit marodem Holzzaun. Auf dem durchweichten Mistboden stehen Dutzende rosa Schweine und schieben die Nase zwischen den Latten hindurch in der Hoffnung auf Futter.
Ich klopfe an die Tür, wobei ich mich auf den schwindenden Duft der Mentholsalbe konzentriere, den ich noch in der Nase habe. Die Tür wird von einer fülligen amischen Frau in einem braunen Kleid, weißer Schürze und
Kappe
geöffnet. Wir starren uns mehrere Sekunden lang an, erst dann erkenne ich sie wieder: Alma Gerig. Wir sind vor zwanzig Jahren zusammen in die Schule gegangen. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, aber unsere Schule damals war so klein, dass alle Schüler gemeinsam in einem Raum unterrichtet wurden.
Seit unserer letzten Begegnung hat Alma fünfzehn Kilo zugenommen. Ihre Haare sind jetzt mehr grau als rot, und ich frage mich, wie ich wohl aussehen würde, wenn ich bei den Amischen geblieben wäre. Trotz ihres argwöhnischen Blickes schenkt sie mir ein aufrichtiges Lächeln. »Katie.
Guder mariye
.« Guten Morgen.
»Hallo Alma.« Ich lächle kurz und zeige ihr meine Dienstmarke.
Ihr Lächeln verfliegt. »
Was der schinner is letz?
« Was ist passiert?
»Ich muss dir und deinem Mann ein paar Fragen über letzte Nacht stellen.«
Sie tritt einen Schritt zurück und macht die Tür weit auf. Dabei wendet sie den Blick von mir ab, was ich als ein Zeichen von Nervosität deute. Ich glaube nicht, dass es etwas mit mir oder den Morden zu tun hat. In dieser Stadt ist das Misstrauen zwischen den Amischen und der englischen Polizei so alt, wie ich zurückdenken kann. Dass ich als Polizeichefin beide Seiten kenne, hat die Spannungen zwar vermindert, aber nicht beseitigt.
»Natürlich«, sagt Alma. »Komm herein.«
Glock und ich betreten das kleine Wohnzimmer. Auf dem Sperrholzboden liegt ein blauweißer Flickenteppich voller Flecken. An der Wand steht eine Bank aus Nussbaum, mit einem zerschlissenen Quilt und mehreren Kissen darauf. Es riecht nach Petroleum und gebratenem Scrapple, dem traditionellen amischen Frühstück aus Maismehl und Schweinefleisch. Einen Moment lang muss ich an meine eigene Kindheit denken, eine bittersüße Erinnerung, die besser im Verborgenen bleibt.
»Auf der Farm der Planks hat es einen Vorfall gegeben«, beginne ich, »bei dem mehrere Schüsse gefallen sind.«
Sie presst die Hand auf ihre Brust. »Ist jemand verletzt?«
»Ich fürchte, ja.« Mehr sage ich nicht, denn ich möchte, dass ihr Mann anwesend ist, wenn ich von den Morden erzähle. Ich glaube zwar nicht, dass die Zooks etwas damit zu tun haben, will aber ihre spontane Reaktion auf die Nachricht sehen.
»Was ist passiert?«
Ich drehe mich zu der männlichen Stimme um und sehe William Zook aus der Küche kommen. Er ist ein großer, dünner Mann mit hängenden Schultern und einem graumelierten Bart, der dringend gestutzt werden müsste. Auf seinem Kopf sitzt ein breitkrempiger Strohhut, er trägt Hosen mit Hosenträgern und ein blaues Arbeitshemd mit hochgerollten Ärmeln. Er mustert uns scharf und misstrauisch.
Ich zeige ihm meine Dienstmarke und komme gleich zur Sache. »Mr Zook, letzte Nacht wurde auf der Farm der Planks geschossen. Dazu möchte ich Ihnen und Ihrer Frau ein paar Fragen stellen.«
»Ein Schießunfall?« Er kneift die Augen zusammen. »Ist jemand verletzt?«
Normalerweise gebe ich den Namen eines Verstorbenen erst preis, nachdem die nächsten Verwandten benachrichtigt sind. Da die Planks aber aus Lancaster County stammen, muss ich diese Informationen erst noch einholen, was ein paar Stunden dauern kann. Doch mit der tickenden Uhr im Nacken und einem frei herumlaufenden Mörder kann ich die Ermittlungen nicht so lange auf Eis legen. Wenn ein Familienmitglied der Zooks etwas gesehen hat, muss ich das sofort wissen.
»Die ganze Familie wurde umgebracht«, sage ich.
»
Ach!
« William drückt sich die Hand auf die Brust.
Am anderen Ende des Zimmers entfährt seiner Frau ein Schrei. »Die Kinder?«
Ich blicke zu ihr hinüber und schüttele den Kopf. »Es gibt keine Überlebenden.«
Ich wende mich William zu. Er ist käseweiß und starrt mich an, als hätte ich ihm gerade ein Messer in die Brust gestoßen. »Tot?«, flüstert er. »Alle?«
»Ja.«
»Lieber Gott.« Alma hat beide Hände auf den Mund gedrückt und sieht mich
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