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Blutige Stille. Thriller

Blutige Stille. Thriller

Titel: Blutige Stille. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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nicht ausschließt, dass so ein Verbrechen die Erinnerungen an das wieder heraufbeschwört, was dir passiert ist. Dass alte Wunden aufgerissen werden, John. Vielleicht wollte ich das vermeiden.«
    »Das weiß ich zu schätzen, Kate. Aber diese Entscheidung solltest du fairerweise mir überlassen.«
    »Wird hiermit zur Kenntnis genommen.« Ich federe meine Worte mit einem Lächeln ab. »Falls es dir ein Trost ist, ich bin froh, dass du hier bist.«
    Wir widmen uns wieder der Arbeit und gehen ins Wohnzimmer. Die drei Blutlachen sind getrocknet, backsteinrot und rissig an den Rändern. Der Geruch hängt immer noch in der Luft, aber nicht mehr so stark, und mir wird klar, dass sich die Spuren des Todes allmählich verflüchtigen und der unaufhaltsamen Macht des Lebens weichen. Diesem Gesetz müssen wir alle gehorchen. Egal was passiert, das Leben geht immer weiter.
    Ich gehe die Treppe hinauf in den ersten Stock, um Tomasetti Zeit und Raum zu geben, den Tatort allein zu erkunden. Oberflächlich durchsuche ich ein letztes Mal die Schlafzimmer, weiß aber, dass hier nichts mehr zu finden ist. Diese Zimmer wurden von vielen Leuten viele Male auf den Kopf gestellt. Wir haben alles entdeckt, was es zu entdecken gab. Es ist nicht viel, aber es muss reichen.
    Ich werfe einen letzten Blick in den leeren Flur und gehe wieder nach unten, um mit Tomasetti zu reden, bin gespannt auf seine Version des Tathergangs, seine Theorien. Vielleicht hat er ja eine Idee, auf die noch niemand gekommen ist.
    Er steht an der Treppe, mit dem Rücken zu mir. »Und, was glaubst du?«, frage ich.
    Er wirft einen Blick über die Schulter und geht weg. Verdutzt folge ich ihm. »Zuerst dachten wir, es handele sich um einen Mord-Selbstmord, aber –«
    Tomasetti bleibt mitten im Wohnzimmer stehen, beim Fundort der Leichen, und blickt auf die blutigen Schuhabdrücke. Angst überkommt mich, als er etwas wacklig um das getrocknete Blut herumgeht. Seine Schultern sind angespannt, und seinem Mund entfährt ein halb keuchender, halb seufzender Ton.
    Beunruhigt mache ich einen Schritt auf ihn zu. »John?«
    Er beugt sich vornüber, stützt die Hände auf die Knie und holt ganz tief Luft, wie ein Langstreckenläufer, der gerade durchs Ziel gekommen ist.
    Ich vergesse den Fall und gehe zu ihm hin. »John? Was ist los? Bist du okay?«
    »Alles gut«, stößt er hervor.
    »Was ist passiert?«
    Keine Antwort. Er zittert unkontrolliert, sein Atem geht keuchend.
    »Fühlst du dich krank?«
    Mit dem Rücken zu mir, streckt er den Arm aus, um mich fernzuhalten. »Gib mir …«, er würgt die Worte hervor, »… eine verdammte Minute.«
    Ein Dutzend Szenarien schießen mir durch den Kopf und verwandeln meine Verwirrung in Besorgnis. Ist er krank? Hat er einen Herzanfall? »John, sprich mit mir«, sage ich. »Was ist los? Hast du Schmerzen?«
    Sein Atem geht stoßweise. Ich stehe kaum einen Meter von ihm entfernt und weiß nicht, was ich machen soll, wie ich helfen kann, bekomme immer mehr Angst. Schweiß glänzt in seinem Nacken, er steht noch immer vornübergebeugt da, die Hände auf den Knien jetzt zu Fäusten geballt.
    »Brauchst du einen Krankenwagen?«, frage ich.
    »Gib mir ne … verdammte Minute«, wiederholt er mit rauer Stimme.
    Mein Bedürfnis, das Mobiltelefon hervorzuholen und den Notarzt zu rufen, ist groß, doch ich widerstehe. Wenn er einen Arzt brauchte, würde er mir das sagen. Doch hier … geht es um etwas anderes.
    Ich stehe da, die Hand am Telefon, hilflos. Ich leide mit ihm, gleichzeitig empfinde ich Scham. Und ich mache mir Sorgen um seine Gesundheit. Aber langsam wird sein Atem ruhiger, das Zittern verschwindet, und als er sich aufrichtet, entfährt ihm ein Seufzer. Wortlos und ohne mich anzusehen, dreht er sich um und geht in die Küche.
    Ich sammle mich kurz, folge ihm. Er steht an der Spüle und spritzt sich Wasser ins Gesicht. »Was zum Teufel war das denn?«, frage ich.
    Er zerrt ein Handtuch aus einer Schublade und tupft sich das Gesicht ab, sieht mich über die Fingerspitzen hinweg an. »Du hast es wohl mit der Angst gekriegt, was?«
    »Das ist nicht witzig«, fahre ich ihn an. »Noch vor einer Minute ging es dir ziemlich mies. Du musst mir sagen, was los ist.«
    Er wendet den Blick ab, wirft das Handtuch auf den Unterschrank. »Ich wollte nicht, dass du das siehst.«
    »Du hast mir Angst gemacht.«
    »Sorry, nun ja, ich mache mir selbst auch manchmal Angst.« Die Falten um seinen Mund sind jetzt tiefer, und er seufzt wie ein alter

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