Blutige Tränen (German Edition)
ihn. Doch er gestattete mir, mich auf mein Zimmer zurückzuziehen. Endlich raus aus diesem kalten, stinkenden Verlies.
Mein Schlaf war unruhig; ich wurde von den wüstesten Träumen geplagt, an die ich mich am nächsten Tag nicht mehr entsinnen konnte. Doch eines blieb in meiner Erinnerung, ein Bild brannte sich in meinen Geist. Ich hatte von Dymas geträumt, dem alten Vampir, meinem Erzfeind. Er war hier gewesen, doch nicht wie ich als Gefangener, sondern als freier Mann. Er hatte mit Lance gesprochen, sie hatten gelacht, und ich hatte gespürt, dass ich der Grund ihrer Erheiterung war.
Er sagte zu Lance: »Das wird ihm nicht geschmeckt haben!«
Und Lance erwiderte: »Nein, ganz und gar nicht. Es hat ihn mehr erniedrigt als die Schläge.«
»Doch er hat keine Träne vergossen.« Es klang fast, als wolle Dymas sich beschweren. Lächelnd klopfte er dem Herrscher auf die Schulter. »Ich bin davon überzeugt, dass du ihn noch dazu bringen wirst.«
Lance nickte. »Er wird mir gehorchen.«
»Das hoffe ich.«
Keuchend erwachte ich und setzte mich auf. Für einen Augenblick hatte ich wirklich gedacht, Dymas sei hier. Alles war so real, die Bilder scharf umrissen, so gar nicht wie Traumbilder! Ich rieb mit der Hand über meine Augen, versuchte, mich wieder zu beruhigen.
Was für eine kleine Gemeinheit sich mein Hirn da zusammengereimt hatte ... Natürlich wusste ich, dass Dymas sich an mir rächen wollte. Aber ich hatte schon lange nichts mehr von ihm gehört. Dass er ausgerechnet jetzt in einem meiner Träume auftauchen musste, verunsicherte mich.
Astaran weckte mich am nächsten Morgen. Sein kaltes Lächeln schien in sein Gesicht hineingemeißelt.
»Steh auf, du wirst erwartet.«
Schweigend erhob ich mich. Die Zeit der Höflichkeiten war schon längst vorbei, wenn es sie denn jemals gegeben hatte.
Ich folgte dem Wächter in eine kleine Kammer mit einem Badezuber, einem alten Tisch mit einem Spiegel darauf, vor dem eine Art Hocker stand. Das alles hatte ich mit einem Blick erfasst. Was hatten sie nun wieder vor?
»Seit wann sind deine Haare lang?« fragte Astaran nun.
Überrascht warf ich noch einen Blick in den Spiegel: Tatsächlich waren meine Haare jetzt wieder zu ihrer ursprünglichen Länge herangewachsen. Es schien alles etwas verlangsamt, was hier unten passierte. Doch erschreckender war für mich, dass ich das nach dem Aufstehen nicht gleich bemerkt hatte.
»Das ist sehr ... passend mit deinen Haaren«, murmelte der Wächter, und es sah fast so aus, als ob er grinste. Ich wusste nicht, was er meinte.
»Wasch’ dich gründlich. Lance erwartet dich in etwa einer Stunde.«
»Ich brauche wohl keine Stunde, um mich zu waschen«, knurrte ich ärgerlich. Astaran blieb stumm.
Eine der Dienerinnen kam herein – sie war unauffällig in jeder Hinsicht – und ging mir beim Baden zur Hand. Doch Astaran machte nicht noch einmal den Fehler, mich mit dem Mädchen allein zu lassen. Das bedauerte ich offen – ich hatte Durst!
»Du wirst schon nicht verhungern«, wies er mich zurecht.
Das Mädchen zog erschrocken den Kopf zwischen die Schultern. Ihre Hände zitterten, als sie mir ein Handtuch reichte.
Ich kletterte aus dem Zuber und trocknete mich nachlässig ab. Zum ersten Mal registrierte ich, dass Astaran mich bewusst betrachtete. Ein provozierender Spruch wollte über meine Lippen schlüpfen, doch ich hinderte ihn im letzten Moment daran. Ich hatte wirklich Probleme genug!
»Setz’ dich dorthin.« Er deutete auf den Hocker. »Und du«, er wandte sich an das Mädchen, »bring’ die Kleidung, die für den Vampir herausgesucht wurde. Und sag Claria, dass sie anfangen kann.«
Die Dienerin eilte davon, als säße ihr der Teufel im Nacken. Ich blieb auf dem Hocker sitzen, mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie hatten etwas vor mit mir, etwas, das mir vermutlich nicht gefallen würde.
Nur Minuten später kam Claria mit zwei Mädchen in den Raum. Diese trugen Kleider über den Armen – Frauenkleider. Ich schloss die Augen und schluckte. Das musste ein Traum sein! Ein verdammter Albtraum!
Claria war eine energische Frau in den mittleren Jahren. Ihre beträchtliche Leibesfülle hatte sie geschickt mit einem edlen dunkelblauen Samtkleid kaschiert.
»Ich hoffe, du bleibst hier«, sagte sie zu Astaran. »Ich möchte nicht so enden wie die arme Zerridane.« Sie lachte glucksend.
Ich fragte mich, was an ihrem Ableben komisch war.
»Und aus dir, mein Hübscher, da machen wir heute eine
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