Blutige Tränen (German Edition)
aus. Der Bote vor seinen Füßen war nicht schnell genug in Deckung gegangen. Ein gnadenloser Fußtritt beförderte ihn ein paar Meter weiter. Stöhnend rollte er sich auf dem Boden.
»Er ist des Todes!« brüllte Lance aufgebracht.
Alex fragte sich, wen er meinte: den Boten oder seinen abtrünnigen Berater Dismaldo. Aber nur einen Moment später war ihm klar, dass er beide mit dem Todesurteil bedachte.
Mit funkelnden Augen starrte er Alex an.
»Der da ist dein Abendbrot«, sagte er mit nur schwer gezügeltem Zorn. Er deutete auf den wimmernden Mann am Boden. »Dich verlangt doch nach Blut, oder?«
Alex nickte zögernd. Aber er wollte den Boten nicht töten; er suchte sich seine Opfer immer selbst. Es war einfach nicht gerecht, dass Lance seine Wut an dem unschuldigen Mann ausließ.
Alex erhob sich langsam. »Darf ich ihn mit auf mein Zimmer nehmen?« fragte er, verwundert über den festen Klang seiner Stimme.
Lance durchbohrte ihn fast mit seinen Blicken. Dann zuckte er gleichgültig mit den Schultern. »Mir egal. Hauptsache, die Kreatur verschwindet aus meinen Augen. – Philco!« Ungeduldig schrie er nach seinem Diener, der unverzüglich erschien. Die Augen gesenkt, doch sprühend vor Energie und Kraft. Auch er war ein gefährlicher Gegner.
»Ich muss sofort mit Garodon sprechen. Sofort!«
Philco nickte und verschwand, nicht ohne Alex einen seltsamen Seitenblick zuzuwerfen.
Unsicher sah Alex zu Raquel und Lance hinüber, doch der rief ungeduldig: »Nun nimm’ ihn schon mit und verschwinde! Wenn ich dich wieder sehen will, wirst du es früh genug erfahren.«
Alles in Alex regte sich zu einem Widerspruch, aber lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als Lance etwas Ungehöriges zu entgegnen. Er fasste den Boten unsanft an den Schultern, riss ihn vom Boden hoch und schleifte ihn ohne größere Schwierigkeiten mit sich aus dem Saal hinaus.
Der junge Mann zitterte am ganzen Leib. Er war sich sicher, dass nun die letzten Sekunden seines Lebens angebrochen waren.
Alex schloss die Tür hinter ihnen und lehnte sich von innen dagegen. Neugierig betrachtete er seinen Fang . Der Mann war schmalschultrig und hatte ein weiches, ein wenig kindliches Gesicht. Alex schätzte ihn auf vielleicht zwanzig Jahre, die glatten blonden Haare erinnerten ihn aus irgendeinem Grund an einen Welpen.
»Setz’ dich. – Wie heißt du?«
»Raphael«, sagte der junge Mann schüchtern. Er sah sich um, fand aber keine Sitzgelegenheit, die ihm angemessen erschien.
Alex deutete ungeduldig auf das große Bett. Er sah Raphaels widerstreitenden Gefühle, als dieser sich gehorsam auf Alex’ Bett niederließ.
Er zitterte noch immer. Würde er nun, bevor er starb, noch vergewaltigt werden? Er beobachtete den Vampir genau; verdammt, er hätte sich vermutlich wohler gefühlt, wenn die Diener und Boten sich nichts von dem Neuen , von dem fremden Vampir erzählt hätten ... Wenn er gar nicht gewusst hätte, dass der gut aussehende, blasse Mann ein Blutsauger war.
Alex durchquerte mit eleganten Schritten den Raum und setzte sich langsam neben Raphael. Ein Bein angewinkelt, den Oberkörper dem jungen Mann zugewandt.
Raphael zuckte zusammen, als Alex ihn vorsichtig berührte.
»Hab’ keine Angst vor mir, Raphael. Erzähl’ mir von hier. Ich weiß viel zu wenig. – Was war das für eine Nachricht von diesem Dismaldo? Wer ist das und was ist das für ein Streit, um den es geht?«
Raphael war noch immer verunsichert. War er wirklich mit dem Leben davongekommen?
»Nun, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll ...«
Alex nickte ihm aufmunternd zu. Er wollte alles wissen.
»Es ist ein Streit, nun fast eine Art von Krieg, zwischen Lance, unserem Herrscher, und der Fürstin von Sussed – Isgira. Eigentlich gibt es keinen rechten Grund für die Auseinandersetzung, jeder hat sein eigenes Reich – doch ...«, hier zögerte er merklich, »Isgira hat einen Sohn. Sein Name ist Silk und er soll wunderschön sein. Ich habe ihn selbst noch nie gesehen; Isgira hält ihn unter Verschluss, um nicht zu sagen in Gefangenschaft. Und genau um diesen Jungen geht es. Lance will den Knaben.«
Alex sah ihn neugierig an. »Und warum ist er so scharf auf ihn?«
Raphael machte eine hilflose Geste. »Man sagt, er habe sich unsterblich verliebt in Silk und möchte ihn vor Isgira retten, die sehr grausam sein soll ...«
» Man sagt ?« fragte Alex nach.
»Vielleicht möchte er den Jungen auch einfach nur besitzen«, sagte Raphael leise, als könne jemand ihr
Weitere Kostenlose Bücher