Blutige Vergeltung
tollpatschigen Finger schlossen sich um die Messergriffe. Noch mehr Adrenalin mit dem Geschmack von Kupfer schoss in mein Blut, genug, meine Sinne zu schärfen, aber nicht zu viel, um die Übersicht zu verlieren. Später würde mich das teuer zu stehen kommen, wenn mein Körper schließlich keine Reserven mehr haben würde.
Ich atmete leise aus, holte erneut Luft, als meine Lungen nach Sauerstoff verlangten, den ich nicht ausreichend aufnehmen konnte. Wozu laut Keuchen und meine Position verraten -und obendrein, dass ich wach und bereit war, ein paar Ärsche zu versohlen?
„Fax?“ Etwas bewegte sich, wahrscheinlich war es Irenes langes paillettenbesetztes Kleid. Die Härte war aus ihrer Stimme verschwunden. „Fax, halte durch – Fax! Fairfax, lass mich nicht allein!“
Sie klang, als sei sie das Opfer. Womöglich wie eines ihrer eigenen Opfer. Ich bezweifelte allerdings, dass ihr die Ironie klar wurde, selbst, wenn es ihr jemand erklären würde.
„Ach, halt die Klappe.“ Noch ein Schlag, und die Wand vor mir erbebte spürbar, als etwas von der Größe eines Menschen wuchtig genug dagegen geschleudert wurde, um Knochen brechen zu lassen. Shen gab einen zufriedenen Laut von sich. „Immerzu nur am Jammern.“
Ich spannte jeden Muskel an. Die Narbe an meinem Handgelenk fing an zu pulsieren wie ein Hochspannungsdraht.
Urplötzlich war Shen wieder völlig sachlich. „Schwärmt aus. Sucht die Jägerin. Sie ist ganz in der Nähe, ich kann das Shampoo der blöden Ziege riechen.“
In meinem Hals kitzelte es, als ein verrücktes Lachen ausbrechen wollte. Ich schluckte es einfach runter. Was zum Teufel stimmt nicht mit meinem Shampoo?
„Das wird dein letzter Befehl sein“, keifte Irene, und ich ging automatisch in Deckung, als in dem kleinen Raum Schüsse fielen, deren Echo mir fast das sensible Trommelfell zerriss.
Vielleicht könnte ich einfach hierbleiben und abwarten, bis sie die Angelegenheit unter sich geklärt haben. Aber in diesem Moment flog abermals etwas mit übermenschlicher Kraft gegen die Mauer, und noch bevor ich recht wusste, was ich tat, hatte ich mein kleines Loch verlassen und stand im Licht einer schaukelnden, nackten Glühbirne. Die Schleppe meines geschundenen Mantels wehte hinter mir her, ebenso wie der Gestank von Rauch, der in den Fetzen hing.
Das sind vier, und du hast nur deine Messer!
Na ja, das stimmte nicht ganz. Meine linke Hand war zum Glück schlauer als ich und hatte sich bereits um den Griff der Peitsche gelegt und daran gezogen. Irene und Fax mussten geglaubt haben, dass ich die Peitsche so „fest“ verschnürt nicht benutzen könnte.
Dämliche Arschgeigen. Nie im Leben hätten sie sich mit Höllenbrut einlassen dürfen.
Das war die Lage, mit der ich mich konfrontiert sah: ein geschlossener Raum, ein Würfel aus Beton, der Geruch von schwelendem Blut, das an der wild schwankenden Glühbirne klebte, und tanzende Schatten. Ein kleines dampfendes Zischen ahmte das längere Zischen der Höllenbrut nach.
Shen An Dua stand da und wirkte völlig fehl am Platz in ihrem hellrosa Kimono mit den Pflaumenblüten darauf, ihren schmalen, gefalteten bronzenen Händen und ihren Augen, in denen tiefgelbe Flammen loderten. Ihr Haar war wieder zu einem kunstvollen Zopf aufgetürmt, der von lackierten Essstäbchen gehalten wurde, an denen etwas baumelte, auf dem sich das Licht spiegelte. Und in einem Punkt hatte ich endlich mal Glück: In ihrer monumentalen Selbstüberschätzung hatte Shen keine ausgewachsenen Dämonen mitgebracht.
Nein, sie hatte vier Trader dabei, alles Männer. Meine Peitsche fuhr auf Fleisch hernieder und ließ einen davon zu Boden gehen. Schreiend stürzte er, schlug die Hände übers Gesicht und heulte so laut, dass der ganze Betonklotz wackelte.
Shen kreischte, aber schon hatte ein Messer meine Hand verlassen, flog blitzend durch die unruhigen Schatten und das blutbesprenkelte Licht, und wieder hatte ich Glück. Es bohrte sich bis zum Griffansatz in Shens rechtes Auge, gerade als die Peitsche erneut niederschnellte und den nächsten Trader traf, der gerade mitten im Sprung war. Ich wich zur Seite, wirbelte auf meinen tauben, langsamen Füßen herum, und griff nach meiner Kanone.
Los, los, los! Das Brüllen in meinem Kopf konnte mit dem Lärm im Raum nicht mithalten, bis ich es einfach ausblendete und mich stattdessen auf den nächsten Trader konzentrierte. Eigentlich war er ganz süß – als er noch menschlich war, hätte er Puertoricaner gewesen sein
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