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Blutige Vergeltung

Blutige Vergeltung

Titel: Blutige Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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„Noch mehr Scurf?“, mutmaßte ich, aber Leon schüttelte den Kopf. Kupfer klimperte. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe.
    „Nee. Die Stadt ist quietschsauber. Na geh schon, Lina.“ Gedankenverloren prostete er ihr mit seiner Dose zu, und sie verzog das Gesicht, als hätte er sie aufgefordert, das Zeug zu trinken.
    „Ich bringe euch gleich Kaffee.“ Sie warf mir einen knappen, besorgten Blick zu, aber ich war zu beschäftigt mit meinen Schmerzen und meinem dicken Kopf, um ihn zu enträtseln. Stattdessen nahm ich einen Schluck aus der Flasche und verzog das Gesicht beim Gedanken daran, was für ein Chaos das Bier in Verbindung mit meinem Kopfweh anrichten würde.
    Wir hörten zu, wie Galina die Treppe hinabging. Leon rutschte ein bisschen hin und her. Wieder schellte das Kupfer, dann berührte er eins der Amulette um seinen Hals, und nur widerwillig nahm er die Hand wieder runter. „Ich hab mich mal mit diesem Lieutenant unterhalten. Deinem Kontaktmann.“
    „Monty“, steuerte ich bei. Gott sei Dank, ihm geht’s gut.
    „Er hat eine Riesensauerei aufzuräumen. Mir scheint, dieses Arschloch Harvill hat sich wirklich was Ernstes eingefangen.“ Leons Tonfall stellte betont keine Fragen, und mein Schweigen ging betont nicht darauf ein. „Ist eben gefährlich, sich mit einer Höllenbrut einzulassen.“
    Ich zuckte mit den Schultern. Nahm einen weiteren Schluck von dem Bier. Wartete darauf, dass er zum Punkt kam.
    „Deine Stadt sollte jetzt sauber sein, aber du weißt, wie Scurf sind.“
    Wusste ich. Ich nickte. Einer meiner Ohrringe war leichter als der andere, vermutlich war er irgendwann in dem Trubel abgebrochen. Mich juckte es überall. Ich konnte es kaum erwarten, mich endlich waschen zu können.
    „Und dieser Cop, den du aus dem Klub geholt hast.“ Leon sank ein wenig tiefer ins Bett und nahm dann einen großzügigen Schluck aus seiner Dose. Auf dem Aluminium hatten sich Kondenstropfen gebildet, und ich konnte hören, wie die Flüssigkeit Leons Kehle hinabgluckerte. Unten wurde eine Kühlschranktür geöffnet, und Galina fing an, etwas zu summen.
    Mein Herz erstarrte zu Stein. Verflucht! „Ist Carper okay?“
    Leon seufzte. „Gestern hat er Galina dazu überredet, ihn gehen zu lassen. Er ist hier rausmarschiert, heimgegangen und hat sich eine Kugel in den Kopf gejagt.“
    Nein. Oh nein …
    „Was?“ Mit einem Ruck setzte ich mich im Bett auf und bereute es sofort, weil mein Schädel anfing zu dröhnen. „Aber wie zum Teufel …?!“
    „Galina macht sich Vorwürfe. Sie meint, sie hätte ihn nicht gehen lassen dürfen. Ich war bei den Werwesen, wir haben diesen Nachtklub ausgeräuchert.“ Leon zog die Schultern hoch. „Sie sagt, sie dachte, wo der Cop doch wieder auf den Beinen war und keine Gefahr mehr bestand …“
    „Carp?“ Ich konnte es einfach nicht begreifen. „ Andrew? Das kann nicht … er würde nie …“
    Leon zog ein ernstes Gesicht. „Er gehörte nicht zu den Abgebrühtesten, Jill. Manchmal, wenn Zivilisten die Schattenseite sehen, brennen bei ihnen die Sicherungen durch. Er war eine ganze Weile in diesem Dreckloch, das dieser asiatischen Schlampe gehörte, und Lina sagt, die Schweine dort hatten ihren Spaß mit ihm.“
    Während ich davorsaß und mir Sorgen darüber gemacht habe, dass mich jemand als doch nicht tot melden könnte. „Lieber Gott“, wisperte ich. „War es denn sicher Selbstmord?“ Schließlich hat auch Kutchners Tod erst mal wie ein Suizid ausgesehen, aber vielleicht hat auch für Carp jemand anderes den Abzug gedrückt. Weil … oh, Gott, Carper. Warum nur?
    Doch ich kannte die Antwort. Wenn man einen Zivilisten aus den Fängen der Nachtschatten befreit, befreit man ihn manchmal nicht wirklich. Stattdessen fällt er in ein schwarzes Loch. Der kurze Blick unter die Oberfläche der normalen Welt wirft normale Menschen völlig aus der Bahn, und sie kommen mit ihrer Realität nicht mehr klar. Sie kehren nie richtig zurück.
    Leon breitete eine Hand aus und machte eine Geste der Hilflosigkeit. „Ich bin mir ganz sicher, Jill. Darum hab ich auch mit diesem Lieutenant geredet – diesem Montaigne. Ist ein netter alter Knabe, der Typ. Macht sich Sorgen um dich.“
    „Das glaub ich dir sofort.“ Die Worte schmeckten bitter. Ich leerte die Flasche in einigen langen Zügen. Mir war, als würden sie Asche mit hinunterspülen. Die Kohlehydrate würden mir auf die Schnelle für kurze Zeit neue Energie spenden, aber ich brauchte Proteine, um wirklich wieder auf die

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