Blutige Vergeltung
Carper. Behalte ihn hier und sorg bitte dafür, dass er am Leben bleibt. Diese Traderin bleibt auch, ich brauche sie in einem Stück und vernehmungsfähig. Du“, ich deutete auf Irene, die in die Höhe fuhr, als hätte man sie gezwickt, „du kommst mit mir nach nebenan und beantwortest mir einige Fragen. Leon, in ein paar Minuten gehen wir auf Scurfjagd. Deck dich mit Munition und allem anderen ein, das wir brauchen.“
An manchen Tagen macht es Spaß, die offiziell zuständige Jägerin zu sein. Es bedeutet nämlich, dass alles auf mein Kommando hört. Leon nickte und schlängelte sich an der Wand entlang an uns vorbei. Galina beugte sich über Carp und machte sich daran, ihn zu verarzten.
„Munition findest du in dem Schrank da drüben. Nimm dir einfach, was du brauchst“, sagte Galina, als ich das Zimmer verließ.
Die Traderin folgte mir in den dunklen Hauptraum des Ladens, die Wände waren summend zum Leben erwacht und hatten die Schutzschilde des Refugiums hochgefahren. In dem Schaukasten unter der Kasse glitzerten Kristallkugeln, in denen goldenes Licht wirbelte. Sämtliche Vorräte raschelten und raunten, all die Bücher und Gegenstände in diesem Geschäft waren auf ihre eigene Art lebendig und überdies auf mehr als nur eine Art und Weise nützlich – anders als die Dinge in gewissen anderen Okkult-Läden, in denen ich, blöd, wie ich war, tatsächlich nach Materialien gesucht hatte.
Manchmal frage ich mich, was Jäger ohne Bewahrer in ihrem Revier machen. Santa Luz kann sich glücklich schätzen, Galina zu haben.
„Okay. Dann schieß mal los.“ Ich legte eine Hand auf meinen Peitschengriff, die andere auf eine Pistole. Falls Irene das nervös machte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken.
Zumindest kaum. Immerhin wurden ihre Augen groß. Das dämmrige Licht stand ihr gut, ihr Bluthaar wirkte darin wie ein sanfter Fluss, und ihre knochigen Hüften täuschten runde Kurven vor. Die Farbe auf Irenes Lippen gab ihr den Anschein, als sei sie gerade erst geküsst worden. Auf ihre Art muss sie hübsch gewesen sein, damals, als sie noch menschlich war. „Jetzt darf ich also reden?“
„Werd bloß nicht frech. Carper war im Fall Organraub auf eine Spur gestoßen, und zwar auf dich. Du hast genau dreißig Sekunden, um mir alles zu erzählen, was du weißt. Und wehe, du lässt etwas aus, dann werden wir rausfinden, ob auch dein Blut grün ist.“ Ich brauchte sie nicht einmal anzuschnauzen, der nüchterne Tonfall war wesentlich furchterregender als jeder Wutanfall.
Außerdem war ich viel zu müde, um auszurasten. Die ständigen Schrecken der letzten Zeit zehrten allmählich an meinen Kräften.
Find dich damit ab, Jill. Konzentrier dich!
„Organdiebstahl, klar.“ Klang sie etwa erleichtert? Sie nickte, und eine Locke fiel ihr ins Gesicht, süß und bezaubernd. Doch der harte Ausdruck in ihren Augen verriet mir, dass ihre Schönheit nur aufgesetzt war. Unter ihrer dünnen Schale verbarg sich etwas ganz anderes.
„Und korrupte Cops. Dann fang mal an.“ Mit einem Auge behielt ich die Wanduhr im Blick.
„Ach das. Das hatte nicht mal was mit der Arbeit in der Bar zu tun, das hab ich bei einem Hausbesuch mitbekommen.“ Als ich sie verständnislos ansah, lächelte sie – ein schmales, verkniffenes Lächeln, das die Härte ihres Gesichts betonte und Irene wesentlich unattraktiver erscheinen ließ, als sie war. „Ich bin eins von Shens Schoßhündchen, Jägerin. Für entsprechende Summen stehen wir zur Verfügung, um … gewisse Bedürfnisse zu befriedigen, falls man es sich leisten kann.“
Das war nichts Neues. Genauso wenig wie die Art, wie ihre Miene sich veränderte. Selbst paranormale Nutten lernen, berechnend zu sein – und ebendieses Kalkül zu verbergen. Allerdings war sie nicht besonders gut darin. Vielleicht hatte sie noch nicht sehr viel Übung gehabt.
„Vor etwa zwei Wochen hatte ich einen Kunden, einen Polizisten. Normale Cops können sich unseren Service nicht leisten, weißt du. Also bedienen wir hauptsächlich die hohen Tiere – und Politiker. Aber dieser eine hatte offenbar reichlich Kohle. Er hat sogar im Voraus bezahlt.“ Bei der Erwähnung von Geld trat ein Glitzern in ihre Augen – ein gieriges Glimmen, das mir ganz und gar nicht gefiel.
„Wie viel?“
„Siebentausend, um das Date festzumachen, und noch mal fünf für die Standardprozedur, dann noch mal vier für … ein paar Extras.“ Abscheu schwang in ihren Worten mit, verflüchtigte sich jedoch wieder. Sie
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