BLUTIGER FANG (German Edition)
Pause.
Dann sagte er tonlos und etwas leiser, während der Pascha wie ein dressierter Schäferhund auf seinem Platz verblieb: „Vielleicht kannst du jetzt nachempfinden, was meine Katzen gefühlt haben müssen, als du sie getötet hast. Und vielleicht kannst du“, Joels Stimme senkte sich und wurde noch weicher, „jetzt auch nachempfinden, wie ich mich gefühlt habe, wenn du mich geschlagen hast.“
Vater verharrte weiter und ließ den Löwen nicht aus dem Blick.
Joel sah im Augenwinkel, wie sich in seinen Augen Tränen spiegelten. War in ihnen Einsicht und Reue – oder nur Angst? Offenbar wollte Vater etwas sagen, doch Joel kam ihm erneut zuvor.
„Weißt du, ich hätte gute Lust, dich der Gewalt dieses Löwen zu überlassen, der viel schneller mit dir fertig wäre, als du es mit meinen Katzen oder mir selbst je gewesen bist. Ich hätte Lust, zuzusehen, wie er dir …“
Plötzlich stand der Löwe auf.
Joel bemerkte die Panik seines Vaters, sagte aber vollkommen tonlos, wobei er durch die Zähne sprach: „Bleib stehen, rühr dich nicht.“
Vater gehorchte.
Joel spürte die Vibrationen, die von ihm ausgingen. Wahrscheinlich konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten.
Dann handelte Joel und schlug mit dem Riemen erst in die Luft, sodass es einen lauten Knall gab, dann auf den Rücken des Paschas, wobei er „Down“ schrie.
Der Löwe setzte sich und sah im Dämmerschein des Lichtkegels aus wie ein großer Hund, der auf den nächsten Befehl wartete. Himmel, war der groß!
„Geh langsam rückwärts zu den Rolltreppen und versuche, nach unten zu kommen. Ich glaube nicht, dass er dir folgen wird. Ich … ich komme gleich nach.“
„Joel!“
„Nichts da, halt dein Maul! Einmal machst du, was ich dir sage.“
Vater schwieg.
Langsam setzte er Fuß um Fuß nach hinten, wobei er mitunter den Kopf etwas zur Seite drehte, um die hinter ihm liegenden Rolltreppen wenigstens im Augenwinkel sehen zu können.
Der Pascha knurrte tief und rollend, blieb aber sitzen.
Joel sah im Augenwinkel Vater langsam zurückgehen.
Der Weg zur Rolltreppe schien unendlich weit zu sein. Es gab kaum ein Vorwärtskommen.
„Was passiert, wenn ich losrenne?“
„Dann wird er dir in den Rücken fallen.“
„Keine gute Idee.“
„Nein, Vater, keine gute Idee.“
Vater war fast bei der Rolltreppe, Gott sei Dank!
Da plötzlich klingelte ein Handy!
Die widerliche Melodie zerschnitt wie eine Kreissäge die extreme Stille.
Für den Pascha war dies anscheinend das Signal. Er riss sich hoch und raste, Joel ignorierend, auf Vater zu.
Joel zögerte nicht mehr. Er hob die Pistole hoch und feuerte ab, noch bevor der Pascha bei Vater angekommen war.
Mit einem fürchterlich donnernden Gebrüll brach der Pascha, von zwei Kugeln getroffen, unmittelbar vor Vater zusammen, zum Glück, noch bevor er hatte abspringen können.
Joel hielt die Waffe vor sich, war extrem angespannt und fing an, am ganzen Leib zu zittern. Erst als er ganz sicher war, den Löwen tödlich getroffen zu haben, senkte er die Waffe. Eine riesige Flutwelle an Adrenalin bäumte sich in ihm auf und kam von innen auf ihn zu.
Vater indessen ging keuchend nieder. Er sackte kurz vor dem Treppenabsatz auf die Knie und stützte sich dann seitlich auf den Händen auf. Er senkte seinen Kopf auf die Brust.
Joel näherte sich dem Löwen und stieß ihn mit dem Fuß an. Nichts rührte sich mehr.
Er ließ die Waffe fallen, sank nieder und streichelte die Mähne.
Joel wischte sich mit den Handrücken seine zugeschwollenen Augen. Eine nie gekannte Entspannung bemächtigte sich seiner und er begann zu schluchzen. Tränen liefen über seine Wangen und tropften vom Kinn in die Mähne des Paschas. Immer wieder schluchzte er laut auf.
Plötzlich drang eine heisere Stimme an sein Ohr.
„Joel!“
Joel schaute auf und blinzelte hinüber in Richtung der Schränke. Der eine stand offen und dann sah er Bronco auf ihn zukriechen, der schon die halbe Strecke hinter sich gebracht hatte.
„Ich … habe Schü- … Schüsse gehört. Was …?“
„Bronco!“ Joel richtete sich auf und lief zu ihm.
Auch Vater erhob sich und half ihm, Bronco zu den Rolltreppen zu bringen.
„Wir müssen dafür sorgen, dass er zu einem Arzt kommt.“
Vater zog sein Handy aus der Tasche, wobei sie jetzt erst registrierten, dass es nicht mehr klingelte, und wählte eine Nummer.
Kurz darauf sagte er etwas
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