BLUTIGER FANG (German Edition)
ins Telefon, während er sich mit der anderen Hand den Schweiß aus seinem Gesicht wischte.
Bronco, der an der Verblendung der Rolltreppe lehnte, blickte stumm ins Leere.
Vater war mit dem Telefonieren fertig und kam zu Joel zurück.
Joel sah auf und jetzt zum ersten Mal Vater richtig an, der immer noch zitterte und sich, offenbar Antworten suchend, in seinem Gesicht verlor.
Joel wurde sich erst jetzt so richtig klar darüber, dass er Vater vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Und er spürte, dass auch Vater genau das gerade aufging. Zudem schien ihm bewusst zu werden, dass es Joel nach allem, was er von ihm in der Vergangenheit zu erleiden hatte, viel Überwindung gekostet haben musste, ihm zu helfen.
Joel sah ihn lange an.
Er wischte sich Tränen von den Augenlidern und winkte verneinend ab, als er merkte, dass Vater ins Restaurant gehen wollte.
„Hilfe ist unterwegs“, sagte Joel zu Bronco, der immer noch an der Treppenverblendung lehnte, „wir warten unten auf den Krankenwagen, okay?“
Bronco nickte.
Joel war mit Vater schon fast bei den Fahrstühlen, da erhob sich die Stimme Broncos noch einmal.
„Joel!“
„Einen Moment, ich bin gleich zurück.“
Joel ging zu ihm hin. In seinem Blick lag etwas Unbeschreibliches. Nie hätte er gedacht, dass Bronco zu einem solchen Ausdruck in den Augen fähig wäre.
Plötzlich reichte ihm Bronco die Hand.
Joel zögerte. Er wischte sich Tränen weg und blinzelte Bronco in die Augen.
Dann streckte auch er die Hand aus und die beiden jungen Männer hielten sich einen Moment lang fest.
„Danke.“ Broncos Stimme überschlug sich und versiegte.
Joel löste seine Hand von der Broncos und nickte mit einem verkniffenen Lächeln.
„Mit dir bin ich endgültig fertig“, sagte Joel. „Und ich denke, du mit mir auch!“
Bronco lächelte gezwungen und verzog vor Schmerzen sein Gesicht.
Dann wandte sich Joel ab und ging zu Vater zurück.
Auf dem Weg zu den Fahrstühlen erzählte Joel seinem Vater in abgerissenen Sätzen, was heute Nacht alles passiert war – und warum.
Vor dem Aufzug legte Vater den Arm um Joel, der sich noch einmal umschaute und zum Restaurant zurückblickte.
In Joel rumorte es. Ihm war klar, dass Bronco und er da draußen schon bald eine Menge Ärger bekommen würden. Dass schon morgen Verhöre anheben und ein Prozess auf sie warten würde. Und dass sie sehr wahrscheinlich für eine lange Zeit ins Gefängnis gehen müssten.
Er würde nie vergessen, dass Bronco bereit gewesen war, ihn umzubringen – so wie er selbst letztlich auch bereit gewesen war, Bronco umzubringen, als er ihn zu dem Gang ins Restaurant gezwungen hatte.
Aber das spielte nach dieser Nacht keine Rolle mehr.
Es würde in seinem Leben, ganz egal, wie es auch weiterging, keine unberechtigte Angst mehr geben und auch keine Minderwertigkeitskomplexe. Nie mehr. Ganz gleich, was die Zukunft bringen würde. Das hatte ihn diese Nacht gelehrt.
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