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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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Fensterhöhlen hervorquollen und wie lange schwarze Fahnen im Wind wehten, konnten dennoch den strahlenden Ostertag nicht völlig verdüstern. Auferstehung des Herrn ... dachte Anna Elisabeth, während sie, gefangen wie in einem halb grausigen, halb beseligenden Traum, den Burgberg hinunterstieg. Die Grabsteine auf dem Friedhof bei der Kirche waren mit Blut besprenkelt, das die Sonne bereits getrocknet hatte ... leblose Körper lagen über sie hingestreckt – gefallene Söhne und Enkel derer, die hier unter dem Rasen ruhten. Vorn an der Mauer aber blühten in leuchtendem Gold ganze Heerscharen von Narzissen ...
    Wohin Anna Elisabeth auch blickte, überall lagen Erschlagene. In einer Nische zwischen zwei Häusern sah sie die Körper eines jungen Bauern und eines ebenso jungen Edelmannes, die sich im Tode eng umschlungen hielten. Jemand war dabei, die Leichen voneinander zu lösen, um an die bunt gestreifte Seidenweste des Junkers zu kommen. Der Mann, ein knorriger, rotgesichtiger Kerl, dem das schmal geschnittene Kleidungsstück kaum passen würde, schnaufte, zerrte an dem Toten herum und fluchte leise vor sich hin: »Gib her, was du mir gestohlen hast, Raubgraf... lange genug bist du in Samt und Seide gegangen. Jetzt kommt meine Zeit ...«
    Ein zweiter Plünderer kam des Wegs, gesellte sich zu ihm. »Kennst du den?«, fragte er den Rotgesichtigen.
    »Nein. Verschwinde. Such dir ’n anderes Jünkerlein.«
    »Und wenn ich nun gerade diese Weste will?«, stänkerte der andere.
    »Dann hau ich dir die Nase noch breiter, als sie sowieso schon ist«, knurrte der Rotgesichtige bissig.
    Der andere lachte. »Schon gut«, sagte er, indem er sich zumWeitergehen anschickte. »Hab mir für mich ohnehin was Besseres vorgestellt – nicht solchen läppischen Tand.«
    Anna Elisabeth spürte einen schlechten Geschmack im Mund. Sie fasste die Zügel ihres Pferdes fester und sah zu, dass sie weiterkam. Unten, in der Nähe der aufgesprengten Stadttore, herrschte aber noch viel dichterer Verkehr. Es gab kaum ein Durchkommen. Bürger auf der Flucht drängten mit viel zu schwer beladenen Karren und anderen Fuhrwerken aus den Mauern ins Freie. Plünderer schoben sich mit ihrem zusammengerafften Raub dazwischen durch, während andere aus dem Bauernheer hineindrängten und nachträglich noch versuchten, auch etwas von der Beute abzukriegen. Über allem aber bimmelte die Feuerglocke ...
    Anna Elisabeth arbeitete sich mit weit aufgerissenen Augen und dennoch blicklos durch die schwitzenden, schiebenden Menschenmengen. Das Pferd fest am Zügel durchschritt sie endlich das Tor und ließ sich, mitten im Gewühl zwischen hunderten von unbekannten Männern und Frauen eingekeilt, zu der weiten Wiese am Flussufer treiben.
    Der Baum, von dem Christoph gesprochen hatte, war leicht auszumachen. Er musste uralt sein; mit seiner ausladenden Krone überspannte er einen weiten Platz, auf dem viele Männer mit langen Spießen, wie Lanzknechte sie trugen, in Zweierreihe angetreten standen.
    Anna Elisabeth, die von der drängelnden und schubsenden Menge bis ganz nach vorn durchgeschoben worden war, bot sich ein ungestörter Blick auf das Geschehen. Hier war offenbar gerade eine Art Gerichtsverhandlung zu Ende gegangen. Vorn, dicht am Stamm der mächtigen Linde, standen drei Menschen, die wohl die Richter gewesen waren – zwei Männer und eine Frau. Die Männer trugen Brustpanzer und sehr bunte, beinahe grelle Kleidung – geschlitzte Halbhosen in leuchtenden Farben, große, auffällige Federbarette, blitzende Rapiere an derHüfte. Die Frau, deren Alter Anna Elisabeth nicht schätzen konnte, prunkte in einem grünseidenen Gewand mit rotem Besatz und pelzgefütterten Ärmeln. Das schwarze Haar allerdings flatterte ihr offen über die nackten Schultern. Es war wirr und ungepflegt und gab ihr das Aussehen einer Verrückten. Diesen Eindruck verstärkten noch ihre glühenden schwarzen Augen.
    Jetzt breitete sie die Arme aus, ließ dann den rechten wieder sinken und machte mit dem linken eine weit ausholende Bewegung. Anna Elisabeth bemerkte, als sie mit dem Blick dieser Bewegung folgte, dass am Rand des Platzes unter dem Baum eine kleine Gruppe von Musikanten Aufstellung genommen hatte. Diese Leute hoben auf das Zeichen der schwarzhaarigen Frau ihre Instrumente und setzten sie an. Gleichzeitig senkten die angetretenen Bauern ihre Spieße und traten drei, vier Schritte zurück. Eine Gasse hatte sich auf diese Weise gebildet.
    Die beiden Männer, die die Frau

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