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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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flankierten, stellten sich in Positur. »Ludwig Helfenstein«, schrie der eine von ihnen, »tritt vor!«
    Erst jetzt wurde Anna Elisabeth der Edelleute gewahr, die zusammengedrängt am äußersten Rand des Platzes standen und aus deren Mitte einige Bauern nun mit Tritten und Faustschlägen einen jungen Herrn hervorzerrten.
    »Du bist für schuldig erklärt«, sagte er zweite der Bauern- Hauptleute. »Hast du noch etwas zu sagen, bevor du deine Strafe empfängst?«
    Der junge Edelmann, den Anna Elisabeth ja bereits gesehen hatte, war verwundet; Blut sickerte ihm vom Scheitel her seitlich die Wange hinab, und seine Augen blickten verschleiert. Er schwankte, als sie ihn am Eingang der Gasse aus Spießen aufstellten. »Möge Gott euch vergeben«, hörte Anna Elisabeth ihn sagen, »der Kaiser wird es nicht können ...«
    Die schwarzhaarige Frau stieß einen Wutschrei aus. »Macht ein Ende mit ihnen – macht ein Ende!«
    Diesmal gab einer der Hauptleute den Musikanten das Zeichen. Doch bevor sie zu spielen anfangen konnten, sagte der junge Graf noch etwas: »Melchior Nonnenmacher – habe ich dich nicht immer gut behandelt?«
    Der Zinkenbläser, der offenbar die kleine Kapelle leitete, lachte darauf. »Und ich werde Euch deshalb auch Euer Lieblingsstücklein spielen«, rief er seinem ehemaligen Brotherrn zu, »Ihr sollt zufrieden sein!«
    »Du weißt, Ludwig Helfenstein, dass du frei bist, wenn du es schaffen solltest, das Ende der Gasse lebend zu erreichen?« Diese zynische Frage stellte der Hauptmann links neben der Frau.
    »Jäcklein Rohrbach«, antwortete der Graf, der sich vor Schwäche kaum noch auf den Beinen halten konnte, »ich hoffe, du wirst mehr Gnade erfahren, als du mir und den Meinen zubilligst ...«
    Die Frau mit den zerzausten Haaren stieß einen neuen Wutschrei aus und gestikulierte wild. Nun endlich begannen die Musikanten zu spielen – die Töne des Zink gellten scharf und schneidend durch die Luft. Anna Elisabeth kannte die Melodie. »Hierum tummel dich und rundum«, hieß das Tanzstückchen, das Melchior Nonnenmacher ausgewählt hatte.
    Der Graf wurde von neuem getreten und vorwärts gestoßen. Er taumelte in die Gasse aus Lanzen hinein, die Bauern hoben ihre langen Spieße, senkten sie wieder, stießen zu ...
    Anna Elisabeth wandte sich ab. Dennoch, sie hatte das Blut gesehen, das da vorn aufgespritzt war, und aus den Augenwinkeln nahm sie auch den zerfetzten, von vielen Lanzenstichen durchbohrten Leichnam wahr, der Augenblicke später vom Anger geschleift wurde.
    Jubel klang auf. Für Anna Elisabeth hörte er sich beinahe an wie das Geifern und Heulen von wilden Tieren. Unter tosendem Beifall wurden die Namen der Hingerichteten laut ausgerufen, weitere blutende, zerrissene Leichname wurden vomPlatz geschleppt. Anna Elisabeth konnte nicht weg – sie war eingekeilt zwischen Männern und Frauen, die mit aufgerissenen Augen und Mündern fasziniert dem grausigen Schauspiel zusahen, das sich da vorn abspielte. Der Zügel des Saumpferdes, das sie noch immer mit sich führte, schnitt ihr schmerzhaft ins Handgelenk ...
    In diesem Augenblick sah sie in der Menge, keine sechs Schritte von ihr entfernt, ein bekanntes Gesicht. Hannes Rebmann, kalkweiß im Gesicht, stand da und starrte mit zuckenden Lippen zur Gasse der Lanzen hinüber, wo gerade wieder ein Delinquent zu Boden gegangen war. »Sie haben es alle verdient«, hörte sie ihn halblaut vor sich hinsagen, »sie haben es alle verdient ...«
    Anna Elisabeth, zutiefst erschrocken wie sie schon war, packte neues Entsetzen. Johannes Rebmann sah krank aus – todkrank. So bleich, so hohläugig hatte sie ihn noch nie erlebt. Immer war er mit seiner frischen Gesichtsfarbe, seiner kraftvollen, munteren Art und seinem zupackenden Wesen für sie der Inbegriff der Gesundheit gewesen. Aber der Mann, der da immer wieder den gleichen Satz vor sich hinmurmelte, der sah dem Hannes Rebmann von früher nicht im Entferntesten ähnlich.
    Sie versuchte sich zu ihm durchzudrängen. Das war schwer; diejenigen, die neben ihr standen, knurrten sie wütend an. »He, du bist hier nicht die Einzige, die alles genau mitkriegen will«, zischte eine alte Frau in Lumpen, die offenbar aus Weinsberg stammte und wütend ihre grauweißen Strähnen zurückwarf.
    »Halt dich zurück, Mädchen«, knurrte der alte Kerl rechts von Anna Elisabeth. »Sie hat mehr Rechte als du. Denn ihr Sohn ist im Verließ verreckt – oben auf der Weibertreu.«
    »Und jetzt kriegen wir endlich unsere Rache«,

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