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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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erst richtig an. Das Feuer knatterte, rauschte, fraß sich rasch weiter ...
    »Los jetzt«, sagte Anna Elisabeth und packte die Gräfin am Arm. »Wenn Ihr Euch nicht endlich entschließt, werdet Ihr Euch ganz bestimmt nicht mehr in Sicherheit bringen können. Noch bewacht niemand die gesprengten Tore und achtet auf einen Mistkarren, der aus der Stadt gefahren wird. Aber das kann sich jeden Augenblick ändern!«
    Die Gräfin war kreidebleich. Selbst Anna Elisabeths dicker Mantel konnte sie im Augenblick nicht wärmen, denn es war das Entsetzen, das sie so zittern ließ. Willenlos ließ sie sich indie Kuhle einbetten, die Christoph mit einer an der Wand lehnenden Forke in den Mist gegraben hatte, nahm ihren kleinen Sohn wieder an die Brust und schlug Anna Elisabeths Mantel um sich und das Kind. Dann zog sie sich die Kapuze des handfesten Kleidungsstücks tief in die Stirn.
    Auf Anna Elisabeths Anweisung bedeckte Christoph die junge Frau mit Mist, bis sie kaum noch auf dem hoch beladenen Wagen auszumachen war. »So wird niemand sie erkennen«, sagte Anna Elisabeth befriedigt. Und dann, zu der jungen Gräfin gewandt, fügte sie tröstend hinzu: »Nur ein paar Stunden, dann müsst Ihr Euch nicht mehr fürchten. Und um Eures Kindes willen werdet Ihr das bisschen Ungemach doch ganz bestimmt ertragen können – oder nicht?«
    Die Gräfin nickte beinahe unmerklich. »Ja«, hauchte sie, »und ich danke dir. Wie ist dein Name?«
    »Annelies. Aber das ist nicht wichtig. Rettet Euch und den Kleinen. Nur das zählt.«
    Christoph hatte inzwischen die magere alte Stute in die Deichsel des Mistkarrens geführt und angeschirrt. »Was wird aus unseren Pferden?«, wollte er wissen.
    »Deinen Braunen bindest du einfach hinten an den Karren an«, entschied Anna Elisabeth kurz entschlossen. »Mein Ross behalte ich hier. Wer weiß, wann ich es brauchen kann.«
    Etwas flackerte in Christophs Blick. »Aber was soll ich tun, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe?«, fragte er mit brüchiger Stimme. »Wohin soll ich dann gehen, Anna?«
    »Komm hierher zurück«, schlug sie vor, »oder reite nach Weißenstein. Mich hast du sicher geleitet. Damit wirst du hier nicht mehr gebraucht.«
    »Und Albrecht?« Er hatte plötzlich etwas Verlorenes. »Wir haben Albrecht noch nicht gefunden. Außerdem wollte ich ...«
    Er vollendete den Satz nicht. »Was?«, forschte Anna Elisabeth.
    »Ach, nichts«, sagte Christoph. Er riss sich deutlich zusammen. »Dein Rat ist gut, Mädchen. Ich werde ihn befolgen.«
    Nur wenige Handgriffe, dann waren die Zügel seines Reittieres am hintersten Staken des Leiterwagens befestigt. Christoph fasste die alte Stute am Kopfgeschirr und führte sie schnell aus dem Hof, denn schon stürzten weitere Ziegel vom brennenden Dach herunter. Die Tiere scheuten und warfen die Köpfe hoch. Das hinkende Fohlen folgte angstvoll wiehernd seiner Mutter.
    Einen Augenblick lang sah Anna Elisabeth dem Fuhrwerk nach, wie es sich aus dem äußeren Tor auf den Fahrweg hinausbewegte, der hinunter in die Stadt führte. Sie war sich sicher, dass niemand die Gräfin Helfenstein unter dem Mist entdecken würde, wenn sie sich reglos verhielt. Nur Christoph machte ihr Sorgen. Er, der auf der Fahrt hierher so glaubhaft den erwachsenen Mann gespielt hatte, war längst nicht so gefestigt, wie es ihr vorgekommen war. Ihn hatten die Schreckensbilder des heutigen Tages aus dem Lot gebracht, und er würde lange brauchen, bis er sich wieder gefangen hatte.
    Sie hoffte inständig, dass er sich wirklich wieder zurück nach Weißenstein begeben würde. Und sie – was würde sie tun?
    Zuerst einmal musste sie sich aus der gefährlichen Umgebung der brennenden Burg in Sicherheit bringen. Sie ergriff ihr wohl genährtes Saumpferd am Zügel. Wie von allein bewegten sich ihre Füße in Richtung des Tores, durch das der Mistkarren mit seiner wertvollen Fracht soeben hinausgerollt war, und das Tier folgte ihr willig. Anna Elisabeth ging ohne Eile; sie ließ sich von Plünderern überholen, die mit dicken Packen eingesackter Wertsachen an ihr vorüberhasteten, wich Fuhrwerken aus, auf denen Güter aller Art aus der Stadt hinausgeschafft wurden, musste sich ein paarmal ducken, wenn Funken von brennenden Dächern regneten oder verkohlte, noch glühende Balkensplitter herabfielen.
    Über all der Zerstörung, dem Geschrei, dem Gepolter spannte sich ein wundervoller, zartblauer Frühlingshimmel. Die Rauchwolken aus den brennenden Gebäuden, die überall aus Dächern und

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