Blutiger Frühling
wirkte steinern, als er antwortete: »Ich habe nie dazugehört, Metzler. Schreibt Euch hinter Eure ungewaschenen Ohren, dass ich mit meiner Schar lediglich dem Ziel diene, die Zwölf Artikel durchzusetzen. Euren Zielen dagegen diene ich nicht – denn sie weichen mir zu sehr ab von dem, was recht und billig ist!«
»In anderen Worten«, warf Jäcklein Rohrbach ein, »Ihr wollt von jetzt an nicht mehr Seite an Seite mit uns kämpfen?«
»Wie begriffsstutzig Ihr doch seid, Jäcklein«, sagte der Geharnischte in unterdrücktem Zorn. »Es sind Eure Schandtaten, mit denen ich nichts zu tun haben will – weder heute noch in Zukunft. Denn im Gegensatz zu Euch habe ich das Ziel noch nicht aus den Augen verloren, auch wenn es nach dem heutigen Tag unendlich viel schwerer zu erreichen sein wird.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und entfernte sich vom Anger, ohne noch einen letzten Blick auf die Mörder oder ihre Opfer zu werfen. Die Frau mit den zerzausten schwarzen Haaren stieß ein schrilles Lachen aus. »Mann«, sagte sie schmeichelnd zu Jäcklein Rohrbach, »was brauchen wir dergleichen lächerliche kleine Junker in unserem Heer? Wir werdensiegen ... hab die neuen Feldschlangen schon mit kräftigen Worten besprochen. Meine Zauberkraft ist allemal stärker als alles andere, und wenn ich die Unsrigen erst unverwundbar gemacht habe ...«
Sie schlang die Arme um den Bauernhauptmann, küsste ihn auf die stoppelbärtige Wange und begann ihn heftig zu streicheln. Doch Jäcklein Rohrbach wehrte ihre ungebärdigen Zärtlichkeiten ab. »Lass sein, Hofmännin – davon verstehst du nichts«, sagte er unwirsch. »Um einen Krieg zu gewinnen, braucht man mehr als nur eine große Zahl von Kanonen ...«
Sie hatten sich hinter einen der Trosswagen zurückgezogen, Anna Elisabeth und Hannes Rebmann. Erst ganz allmählich war Hannes der Sprache wieder mächtig geworden und hatte seine Frage wiederholt: »Wie kommst du hierher, Annelies?«
Sie hatte nach einer Möglichkeit gesucht, ihm auszuweichen. »Zu Pferd«, war ihre Antwort gewesen.
»Das war es nicht, was ich wissen wollte«, hatte Hannes Rebmann gesagt.
Ich weiß, dachte Anna Elisabeth. »Was dann?«, fragte sie. »Warum bist du mir gefolgt? Ich hatte dir doch befohlen, daheim zu bleiben und dich um den Hausstand zu kümmern.« »Noch muss ich dir nicht gehorchen, Hannes.«
»Das ist wahr. Aber warum willst du dich nicht schon einmal daran gewöhnen?«
»Ich weiß nicht, ob ich mich jemals daran gewöhnen werde.« »Aber das musst du, Annelies.«
»Warum?«
»Weil es schon immer so war. Es ist Gottes Ordnung.«
»So, wie es seit Menschengedenken Gottes Ordnung war, dass die Fürsten und Herren ... ?«
Hannes Rebmann schüttelte den Kopf. »Das ist etwas ganz anderes«, sagte er langsam.
»Inwiefern?«
»Die Fürsten haben immer nur behauptet, es sei Gottes Wille, dass sie bestimmen«, erwiderte Hannes. »Eigentlich sind aber alle Menschen gleich.«
»Kann es nicht sein, dass auch die Männer immer nur behauptet haben, es sei Gottes Wille, dass die Frauen gehorchen?« Anna Elisabeth ließ nicht locker.
»Ach was«, gab Hannes grob zurück. »Denk doch nach, Annelies. Eva wurde von Gott geschaffen, damit sie Adam hilft. Aber Herr der Schöpfung ist der Mann, lautet Gottes Wort.«
Anna Elisabeth lächelte.
»Warum hast du mich also aufgesucht?«, kam er auf seine ursprüngliche Frage zurück.
»Das habe ich nicht«, erwiderte Anna Elisabeth. »Dass wir uns getroffen haben, war Zufall.« Damit wandte sie sich von Hannes ab, ging ein paar Schritte zwischen den Trosswagen entlang und ließ ihn in Verwirrung zurück.
Überall wurden bereits die Zugtiere eingespannt. Der Tross machte sich reisefertig. Anna Elisabeth sah zu, wie Knechte dicke Bündel mit Beutegut auf den Wagen verstauten, wie ein paar Weiber und ihre rotznasigen Kinder sich um Brote und Würste prügelten, wie Bauernkrieger ihre Waffen reinigten.
Einer, ein hoch gewachsener Kerl, der über seinem braunen Wollwams eine seidene Weste trug, hatte gerade seine Hellebarde von Blutspritzern befreit und machte sich nun daran, auch sein Haumesser wieder blank zu putzen. In diesem Augenblick bog ein anderer dürrer und langer Mensch um die Ecke des Karrens. »Dacht ich mir’s doch«, sagte er, »feige davongemacht hat er sich!«
»Wer denn?«, fragte der mit der Seidenweste erstaunt.
»Der Geyer. Er ist mit seiner schwarzen Schar auf und davon. Wohin – das weiß keiner.«
»Doch«, sagte der mit der
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