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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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»Und sollte, wie ich schon erwähnte, euer hochwürdiger Herr Pfaffe eine Fehde nicht scheuen – ich stehe ihm liebend gern zur Verfügung.«
    Der Vogt knurrte irgendetwas Unverständliches, sammelte die verlorenen Rapiere auf, deutete eine Verbeugung an und folgte mit finsterem Gesicht seinen beiden Knechten vor das Haus. Draußen saßen die Männer auf und ritten vom Hof. Albrecht stieß seine Klinge wieder in die Scheide.
    Hannes machte wieder den Mund auf, diesmal mit zornrotem Gesicht. »Ihr mögt ein Edelmann sein«, sagte er aufgebracht zu Albrecht, »aber Ihr habt kein Recht, mich einen Tölpel zu nennen. Und ich entsinne mich wirklich nicht, Euch etwas zu schulden – genauso wenig wie der Herr dieses Hauses. Wenn Ihr uns das Fleisch nehmen wollt, dann –«
    »Dann wäre es ein himmelschreiendes Unrecht«, unterbrach ihn Albrecht. »Nun – ich tu’s trotzdem. Ihr könnt es wiederhaben, wenn mir für die kommende Nacht noch einmal Unterkunft gewährt wird.«
    Bei den letzten Worten hatte er Anna Elisabeths Vater angesehen. Der war ebenso wütend gewesen wie der Müllerhannes, doch er konnte weit flinker denken und schmunzelte jetzt. »Bei diesem Handel bin ich dabei«, sagte er, während er von neuem das Schlachtmesser zur Hand nahm. »Setzt Euch, Herr. Ihr sollt einen Schlafplatz und ein gutes Essen bekommen – wenn Ihr uns nicht beraubt.«
    Anna Elisabeth war sprachlos. Sie warf einen scheuen Blick auf Albrecht, der breitbeinig in der Stube stand und heute keinen Zweifel mehr darüber gelassen hatte, dass er ein Herr war, und konnte keinen Ton herausbringen. Erst als ihr Vater sie mit einem Wink an den Herd befahl, fand sie wieder Worte. »Vater«, sagte sie, »seid Ihr gewiss, dass Ihr diesen Mann unter Eurem Dach dulden wollt?«
    »Und ob ich sicher bin«, polterte der Vater.
    Albrecht lachte leise über Anna Elisabeths erschrockenen Blick. »Habt doch keine Angst, Jungfer«, sagte er sanft, »ich werde Euch nicht wieder beleidigen. Heute ist kein Junker Hinzheim hier, vor dem ich Euch beschützen müsste.«
    »Wie kommt es aber, dass Ihr selbst hier seid?«, wollte Hannes Rebmann misstrauisch wissen.
    »Ich kam des Wegs«, antwortete Albrecht ohne weitere Erklärungen.

 
     
     
     
     
    D ie Flocken des ersten Schnees sanken langsam und feuchtigkeitsschwer wie nasse Federn vom wolkenverhangenen Himmel. Albrecht, der auf der steinernen Sitzbank in der Fensternische der Kemenate saß, hüllte sich fröstelnd in seinen dicken, mit Wolfsfell gefütterten Mantel und starrte durch das Fensterglas hinaus in die graue Beinahedämmerung. Ein Schwarm Krähen zog vorüber; die rauen Schreie der Vögel klangen ihm wie Kampfrufe, und ihre schwarzen Silhouetten wirkten bedrohlich über den kahlen Wipfeln der Bäume unterhalb des Bergfrieds.
    Noch eine Stunde, dann würde er zu Gericht sitzen müssen unten im Dorf. Es hatte Streitereien gegeben zwischen zwei Familien, die schon seit Generationen verfeindet waren – niemand wusste mehr, warum. Diesmal ging es um ein Kalb, das sich wohl verlaufen hatte und im falschen Stall gelandet war. Der Bauer aber, bei dem es sein Besitzer gefunden hatte, wurde nun des Diebstahls bezichtigt.
    Albrecht seufzte. Immer das alte Lied. Und der Grundherr war wieder einmal der Prellbock, an dem sich der Zorn der beiden Kampfhähne brechen würde. Eberhart Weißenstein hätte kurzen Prozess gemacht, dachte Albrecht, beiden eine empfindlicheBuße auferlegt, das Kalb für sich selbst beschlagnahmt und gegen alles Lamentieren und Toben taube Ohren gezeigt. Wie würde er, Albrecht Weißenstein, es halten?
    Er versuchte, zu einer Lösung zu kommen. Aber seine Gedanken wanderten, waren einfach nicht bei der Stange zu halten. Was Anna wohl jetzt tat? Er sah sie noch genau vor sich, wie sie ihm Lebewohl gesagt hatte, neulich, am Martinitag. Sie hatte ihm das Versprechen abgenommen, nie wieder ihren Weg zu kreuzen, und er hatte es gegeben – in der Gewissheit, dass dies nicht wirklich ihr Wunsch war. Der Schimmer von Tränen in ihren Augen hatte es ihm verraten.
    Eins war sicher: Er würde sich nicht an sein Versprechen halten. Noch zwei Wochen bis zum Christfest. Wer sollte ihn daran hindern, in ihrem Kirchdorf die Mette zu besuchen? Er würde sie wiedersehen, weil das Leben ohne diese Hoffnung überhaupt nicht zu ertragen war. Die Sehnsucht war allzu groß. Über kurz oder lang würde auch Anna ihren Widerstand aufgeben und einsehen, dass ...
    Es klopfte heftig. Albrecht fuhr zusammen

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