Blutiger Frühling
»weder, dass es dir zugelaufen ist, Simon, noch dass es dir gestohlen wurde, Kunz. Und darum sollst du, Kunz, das Kalb auch nicht zurückbekommen. Ich bestimme, dass es dem Findelhaus übergeben wird – für die elternlosen Kinder zum Braten am Weihnachtsfest.«
»Was?«, schrie Kunz. »Das soll Eure Gerechtigkeit sein, Herr? Ihr nehmt mir mein Eigentum?«
Simon lachte. »Merke auf, elender Lügner«, giftete er seinen Gegner an, »jetzt kriegst du, was du verdienst!«
»Ich bin noch nicht fertig mit meinem Spruch«, sagte Albrecht ruhig. »Simon zahlt eine Strafe von zwei Sack Gerste oder anderem Getreide – ebenfalls zu entrichten an das Findelhaus.« Er musterte die Männer mit kaltem Blick. »Jetzt macht euch hinaus, bevor ich es mir anders überlege und euch eine härtere Strafe angedeihen lasse. Denn allein für eure üblen Nachreden hättet ihr eine solche durchaus verdient.«
Kunz vor der Brücke und Simon Korbmacher schienen zu Salzsäulen erstarrt. Keiner von beiden brachte einen Ton heraus. Die Dörfler hatten schon beinahe alle den Saal verlassen, als Kunz den Mund auftat. »Dies neue Unrecht sollt Ihr uns büßen«, knurrte er Albrecht an, »noch sitzt Ihr sicher auf Eurer Burg – aber es kommen andere Zeiten. Schon bald!«
Simon, plötzlich im Bunde mit seinem eben noch so wütend angefeindeten Gegner, ließ sich ebenfalls vernehmen. »Auch wir haben Rechte«, stimmte er ein. »Lasst Euch sagen – der Bauer wird sich nicht mehr lange gängeln lassen. Dann werden wir in Schlössern wohnen, und Ihr sollt das arme Leben kennen lernen – das schwöre ich Euch, Wolf von Weißenstein!«
Die beiden wollten sich einfach mit den restlichen Zuschauern hinausdrücken, doch Albrecht gab dem Mann, der an der Saaltür stand, einen Wink. Herbrand, einer der altgedientenBurgmannen, hielt sie mit gesenkter Hellebarde auf. »Halt – keinen Schritt weiter!«
Kunz und Simon blieben erschrocken stehen. Auf ihren Gesichtern zeigte sich jetzt doch so etwas wie Furcht. Widerstandslos ließen sie sich noch einmal vor ihren Grundherrn führen.
»Was wolltet ihr mir mit euren bösen Worten sagen?«, fragte Albrecht, während die letzten Zuschauer zögernd den Saal verließen. »Mit welchem Recht unterstellt ihr mir, ich wolle euch gängeln?«
Die beiden antworteten nicht. Kunz, der die deutlichste Drohung ausgesprochen hatte, drehte jetzt ängstlich seine Mütze in den Händen, während Simon die Lippen zusammenkniff und zu Boden blickte.
»Wenn ihr nichts dazu erwidern wollt«, sagte Albrecht, »dann könnt ihr euch im Turm eine Antwort überlegen.« Er sah seinen Getreuen an und gab ihm noch einmal einen Wink. »Führt sie ab, Herbrand.«
Jetzt kam Leben in die zwei Bauern. »Gnade, Herr ...«, murmelte Kunz vor der Brücke. »Wir bitten demütig um Vergebung«, setzte Simon Korbmacher dazu.
Albrecht bekämpfte seinen Unmut. Er wollte die unerfreuliche Verhandlung nicht noch verlängern. »Bereut ihr eure üblen Bemerkungen?«, wollte er von ihnen wissen.
Die beiden nickten stumm. Doch in Kunz’ Augen glimmte es, während Simon den Blick seines Grundherrn nicht erwiderte.
»Dann soll euch vergeben sein«, sagte Albrecht tief durchatmend, »obwohl ihr es nicht verdient habt. Haltet Kalb und Getreide für morgen früh bereit – ich lasse alles abholen.«
Simon und Kunz waren schlagartig wieder die Alten, das konnte Albrecht daran erkennen, dass sich ihre Körperhaltung veränderte. Die Schultern der beiden Kerle strafften sich, und Kunz schob kämpferisch das Kinn vor.
»Wohl, Herr«, sagte Simon, »und wir danken für Eure Milde ...«
Das letzte Wort hatte er abfällig ausgesprochen – es klang wie ausgespuckt. Kunz nickte. »Wir werden es Euch zu vergelten wissen«, fügte er grimmig hinzu.
»Davon bin ich überzeugt«, sagte Albrecht. Auch er legte einen spöttischen Ton in seine Bemerkung, doch er fühlte sich nicht wohl dabei. »Nun geht mir aus den Augen«, fügte er hinzu, »ich hoffe, euch nicht so bald wiederzusehen!«
Herbrand trat beiseite und ließ die Bauern passieren. Als sie fort waren, wandte er sich seinem Herrn zu. »Es braut sich was zusammen da unten im Dorf«, sagte er zu Albrecht. »Abend für Abend hocken die Leute im Wirtshaus und reden sich die Köpfe heiß – besonders die jungen Kerle. Und wenn einer von uns Burgleuten dazukommt, verstummen sie alle. Das war früher nicht so, Herr ...«
»Dass sie im Wirtshaus saßen?« Albrecht schüttelte den Kopf. »Daran ist doch
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