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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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sich ihm. Bebend drängte sie sich an ihn, suchte die gleiche Leidenschaft in ihm zu wecken, die er auf dem Fest gezeigt hatte. »So wie damals«, flüsterte sie an seinem Mund, »sonst gilt es nicht...!«
    Er ergab sich. Er ließ ihr Gesicht los, streifte mit den Händen ihre Schultern, ließ sie hinab zu ihrer Taille gleiten und presste Anna Elisabeth fest an sich. All seine Sehnsucht brach sich Bahn, riss jegliche Schranken nieder, ließ ihn taumeln wie einen Betrunkenen. Sie wollte einen Abschiedskuss. Doch nach diesem Kuss konnte es keinen Abschied mehr geben, das wusste er.
    Als sie sich nach langen Augenblicken voneinander lösten, schwiegen sie beide. Es dauerte viele Herzschläge, bis sie wieder zu Atem gekommen waren. »Wie kann ich dich jetzt noch verlassen?«, flüsterte er mit heißen Lippen.
    »Es gibt keine Wahl«, erwiderte Anna Elisabeth. »Ich habe Hannes Rebmann ... und du wirst mich genauso schnell vergessen haben wie deine schöne Italienerin – falls du nicht zu ihr zurückkehren willst.«
    »Zu wem?«, fragte er verwirrt.
    »Zu Viola mit dem schlanken Hals und den runden Hüften.«
    Er verstand noch immer nicht. Dann erinnerte er sich und lachte leise. »Die Musik vermag zwar über vieles hinwegzutrösten«, sagte er, »aber wie könnte sie dich ersetzen?«
    »Ich habe nicht von Musik gesprochen«, murmelte Anna Elisabeth. »Ich meinte Viola da Gamba ... die Frau, die deine Geliebte war.«
    Albrecht nahm ihr Gesicht noch einmal in die Hände. »Meine Viola ist nur ein Saitenspiel«, erklärte er halb belustigt, »eine Gambe, die ich schon seit meiner Kindheit spiele. Aber sie wäre weder Ersatz noch Konkurrenz für dich, Liebste ...«
    Anna Elisabeth hatte die Augen weit geöffnet und seinen Blick gesucht. »Ein Saitenspiel?«, fragte sie ungläubig. »Dann hast du dich über mich lustig gemacht?«
    »Ein wenig, Liebste.« Er lächelte, doch seine Augen lächelten nicht mit. »Nur ein kleiner Scherz, um dir deinen bäuerlichen Hochmut heimzuzahlen.« Er streichelte mit dem Zeigefinger über ihre Brauen. »Denn, weißt du – du warst so voller Vorurteile, genau wie ich.«
    Ihre Augen hatten sich wieder mit Tränen gefüllt. »Das ist vorbei«, flüsterte sie, »du hast sie mir alle vertrieben. Trotzdem musst du jetzt gehen, und wir dürfen uns nie wiedersehen. Sonst...«
    Er ließ sie nicht aussprechen. »Das ist unmöglich«, sagte er einfach. »Ich kann dich nie mehr loslassen, meine Anna.«
    Sie nahm seine Hände und löste sie von ihrem Gesicht. »Nicht weiter«, sagte sie, während ihre Tränen überquollen und neue schimmernde Spuren auf ihren Wangen hinterließen. »Geh schnell ... es muss sein. Uns bleibt ja immer noch die Erinnerung!«
    »Die kann mir nicht genug sein. Liebste ... ich...«
    Weiter kam er nicht. Von draußen vor dem Stall drangen plötzlich Hufschläge und Stimmen herein. Mehrere Reiter zügelten ihre Tiere und saßen ab. »Wir kommen zu guter Stunde«,sagte eine harte Männerstimme, »sie haben das Schwein schon geschlachtet und zerlegt. Da brauchen wir es nicht mehr zu tun.«
    Ein zweiter Mann lachte rau. Ein dritter kicherte. »Vielleicht können wir sogar die Säcke sparen«, fügte er hämisch hinzu. »Nehmen wir doch einfach ihre Bütte für den Transport. Und wenn sie am Ende sogar schon Würste gestopft haben ...«
    Alle drei brachen von neuem in Gelächter aus. Anna Elisabeth war tief erschrocken. »Der Klostervogt und seine Leute«, murmelte sie tonlos. »Was wollen die hier? Der Zehnte ist doch längst gezahlt!«
    Albrecht lauschte. Dann wandte er sich zur Tür. »Warten wir, bis sie drinnen sind«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Dann können sie nicht so leicht entkommen.«
    »Um der Liebe Gottes willen – was hast du vor?« Anna Elisabeth hielt ihn am Wams fest. Erst jetzt bemerkte sie, dass er heute keineswegs mehr so schlicht gewandet war, wie sie es von ihm kannte. Der Mantel, den er um die Schultern trug, war aus feinem, auf Glanz gebürstetem Tuch, seine Hosen aus fester, dunkelroter Wolle. Und – er war bewaffnet.
    Albrecht sah sie mit funkelnden Augen an. »Ein zweiter Zehnter steht deinem hochwürdigen Herrn Abt ja wohl nicht zu«, erwiderte er kampflustig. »Ich werde zu verhindern wissen, dass er ...« Er beendete seinen Satz nicht mehr und hatte die Tür bereits sachte aufgezogen, noch ehe Anna Elisabeth ihn daran hindern konnte.
    Der Klostervogt und seine beiden Begleiter waren im Haus verschwunden. Ihre Pferde standen unbewacht am Zaun.

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