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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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und drehte sich um. Christoph streckte den Kopf herein. »Euer Pferd ist bereits gesattelt«, rief der Junge munter, »wenn’s recht ist, begleite ich Euch ins Dorf.«
    Albrecht lächelte. Richtig, die kleine Hedwig hielt sich gerade bei ihrer kranken Mutter auf. Christoph hatte sie schon seit drei Tagen nicht mehr gesehen und verspürte die Sehnsucht ebenfalls. »Ich nehme an, du wirst dich während der Verhandlung im Dorf herumtreiben«, stichelte er, »oder willst du bei den Pferden bleiben?«
    Christoph lief rot an. »Ich könnte ja nachfragen, wann das Küchenmädchen wieder zurückkommt«, murmelte er.
    »Daraus wird nichts werden«, sagte Albrecht und verkniff sich ein Schmunzeln. »Ich reite nämlich heute gar nicht mehr aus.«
    Christophs Gesicht verriet riesengroße Enttäuschung. »Und warum nicht, Herr?«
    »Du wirst allein hinmüssen«, rettete ihn Albrecht. »Erstens befiehlst du die streitenden Bauern herauf auf die Burg – denn ich werde im Saal Gericht halten –, und zweitens ... Hedwig kannst du gleich mitbringen. Wie ich die alte Magdalene kenne, wird sie sich schon bitter darüber beklagen, dass zu viel Arbeit liegen bleibt.«
    Seine Worte bewirkten, dass Christophs Gesicht regelrecht aufleuchtete. »O ja, Herr ... und ich mach mich auch gleich auf den Weg!« Freudestrahlend rannte er davon. Albrecht sah ihm nach und empfand plötzlich ein starkes Gefühl des Neides. Glücklicher kleiner Bastard, dachte er, dir kann niemand verwehren, dich deinem Mädchen zu nähern. Für dich gibt es die Schranken nicht, die ich zu überwinden habe ... nur, weil deine Mutter eine Magd war und keine Edelfrau ...
     
    Auch in dem großen Saal im Erdgeschoss des Pallas war es eisig kalt, obwohl in dem mannshohen steinernen Kamin ein gewaltiges Feuer loderte. Albrecht hatte den steillehnigen Sessel seines Vaters zwar so dicht wie möglich davor aufstellen lassen, aber das machte ihn auch nicht viel wärmer. Seinen dicken Mantel jedenfalls konnte er nicht ablegen.
    Die beiden Bauern, die gerade in wütenden Worten ihren Streitfall vorgetragen hatten, standen nun auf Albrechts scharfe Aufforderung in finsterem Schweigen vor ihm. Der eine – Simon Korbmacher – hatte seine schwarzen Augen auf ihn gerichtet und musterte ihn mit stechendem Blick, während der andere – Kunz vor der Brücke – die Augen niedergeschlagen hatte und so tat, als ginge ihn die ganze Sache nichts mehr an.
    Albrecht betrachtete die beiden einen Augenblick. Wie sie so dastanden, die Filzmützen in den schwieligen Händen, die Koller aus graubraunem, hausgewebtem Wollzeug noch mit Wasserperlchenaus getauten Schneeflocken besetzt, ähnelten sie zwei klobigen steinernen Figuren – solchen, die auf dem Rundbogen über dem Portal der Dorfkirche und auf den Kapitellen im Schiff des kleinen Gotteshauses dargestellt waren – Bauern, wie schon die Bildhauer vor mehr als vierhundert Jahren sie gesehen hatten. Aber den zwei Männern, die hier ihren Richterspruch erwarteten, fehlte die heiter naive Demut der Gestalten am Kirchenportal. Kunz und Simon zeigten etwas, das den Bauern in den alten Zeiten noch nicht eigen gewesen war: mangelnde Ehrerbietung.
    Albrecht empfand plötzlich Zorn. »Und ihr wagt es, mir mit dieser unsinnigen Geschichte die Zeit zu stehlen?«, fuhr er die Bauern an. »Glaubt ihr denn, ich hätte nichts Sinnvolleres zu tun, als mir stundenlang eure haltlosen Beschuldigungen anzuhören?« Er reckte sich, richtete den Rücken an der unbequemen Lehne des Sessels auf. »Seht mich an, wenn ich mit euch rede!«
    Kunz folgte widerwillig dem Befehl und hob den Kopf.
    Albrecht fixierte ihn scharf. »Außer der Tatsache, dass das Kalb in Simons Stall aufgefunden wurde, hast du also keine andere Begründung dafür, dass du Simon des Diebstahls bezichtigst?«
    Kunz brummte etwas in den Bart.
    »Sprich deutlich, zum Teufel!«
    »Er hat’s gestohlen«, sagte Kunz. »Seine ganze Sippschaft besteht aus Diebsgesindel seit Menschengedenken.«
    »Dreckiger Bankert«, schrie Simon, von neuem aufs Äußerste gereizt. »Ich wollte, ich hätte dein Kalb abgestochen – sobald sich das blöde Vieh zu mir verlaufen hatte ... !«
    Albrecht hatte es satt, sich noch länger mit den beiden Streithähnen auseinander zu setzen. Er warf einen müden Blick auf die Zuhörer, eine kleine Gruppe von Leuten aus dem Dorf, die an der Tür standen und der Verhandlung bis jetzt stumm gefolgtwaren. »Nichts, was ihr vorgebracht habt, überzeugt mich«, sagte er dann,

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