Blutiger Halloween
unheimlich.«
»Ja, wir nähern uns der Grenze.«
»Haben Sie eine Taschenlampe?« fragte Glenda.
»Tut mir leid. Wir könnten uns höchstens auf mein Feuerzeug verlassen. Moment.« Die Lehrerin stoppte ihren Schritt. In gebückter Haltung blieb sie stehen, und Glenda hörte schon bald das leise Schnacken Dann zuckte die Flamme auf, wobei Glenda nicht nur die Wand sah, sondern auch eine Tür. Die Umrisse hoben sich nur schwach aus dem Mauerwerk ab und verschwanden völlig als die Flamme zusammenfiel.
»Haben Sie gesehen?« wisperte Caroline Graves.
»Ja.«
»Da müssen wir durch.«
»Besitzen Sie einen Schlüssel?« Glenda paßte ihre Stimme der herrschenden Atmosphäre an und senkte sie zu einem Flüstern.
Sie hörte das leise Lachen. »Vertrauen gegen Vertrauen, Glenda. Wir schließen nicht ab. Kommen Sie, geben Sie mir Ihre Hand. Ich werde Sie führen.«
»Kennen Sie sich aus?«
»Natürlich.«
Glenda fühlte, daß die Finger ihren Arm streiften Dann griff sie zu und legte ihre Hand in die der Lehrerin, die mit der anderen die Tür aufgezogen hatte, so daß beide Frauen in den engen Gang eintauchen konnten.
Zwischen dem ersten und dem zweiten Keller gab es einen gravierenden Unterschied. Glenda hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu treten, außerdem roch es jetzt muffig und feucht.
Eine modrige Luft, schwer zu atmen und dazu angetan, Angst im Menschen hochsteigen zu lassen.
Hintereinander schritten sie her. Caroline Graves sagte nichts mehr, sie hielt nur Glendas Hand fest.
»Wohin führt der Gang?« wollte Glenda wissen.
Sie bekam eine Antwort, die sie ein wenig erschreckte. »Zu den Verliesen.«
»Wie?«
»Ja, es gibt hier Verliese. Ist doch natürlich. Schließlich befinden wir uns in einer sehr alten Burg.« Die Lehrerin blieb stehen.
»Das scheint mir auch so…«
Glenda hörte wieder das bekannte Klicken, kurz darauf tanzte die Flamme des Feuerzeugs, und an den Wänden entstand ein Wechselspiel aus Licht und Schatten.
Glenda schaute über die Schulter ihrer Begleiterin hinweg. Sie sah eine zweite Tür, bevor die Flamme verlosch.
»Was liegt dahinter?« wollte sie wissen.
»Wir werden nachschauen. Warten Sie, ich schließe auf.«
Glenda hörte, wie der Schlüssel zweimal im Schloß gedreht wurde. Dann knarrte eine Tür, noch muffigere Luft strömte ihr entgegen, und sie sah auch das Licht einer Kerze.
»Gehen Sie!« flüsterte Caroline Graves.
Glenda drückte sich an ihr vorbei. Kaum hatte sie die Schwelle überschritten, als sie den Scharten eines Menschen entdeckte. Ein Mann wartete im Verlies.
»John!« rief Glenda Perkins…
***
Um die Batterie der kleinen Lampe zu schonen, hatte ich die Kerze angezündet, die auf einem Teller neben dem Sarg stand. Ihr Licht reichte aus, um das Verlies zu erhellen, und ich begann damit, es genauer zu durchsuchen.
Die Wände konnte man vergessen. Sie bestanden aus uralten Steinen, waren ungeheuer dick, und ich war auch nicht der Graf von Monte Christo, der die Zeit gehabt hätte, sich mit einem Löffel oder anderen Dingen innerhalb von zwanzig Jahren einen Tunnel in die Freiheit zu graben Nein, da war nichts zu machen.
Ebenfalls nicht an der Tür. Die konnte ich auch vergessen. Mit bloßen Händen bekam ich sie nicht auf. Werkzeug trug ich keines bei mir, und so blieb mir nichts anderes übrig, als auf den Zufall zu hoffen, daß sich jemand in dieses Verlies verirrte und mich befreite. Zufälle gibt es nun mal sehr selten im Leben. Dennoch besaß ich die Hoffnung. Sie trug sogar einen Namen. Nämlich Glenda Perkins. Eine halbe Stunde hatte ich ihr gegeben. Diese Zeit war längst überschritten. Wie ich Glenda kannte, würde sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um mich zu finden und sich vielleicht auch in den Teil des Kellers verirren.
Dabei drängte die Zeit.
Ich war fest davon überzeugt, daß ein unheimlicher Killer nahe des Schlosses lauerte und die fünf Schüler aufs Korn genommen hatte. Welche Zusammenhänge es da gab, war mir unbekannt. Ich wußte auch nicht, was es mit dem Sarg auf sich hatte, der vom flackernden Licht der Kerzenflamme übergössen wurde. Der zerdrückten Unterlage nach zu urteilen, mußte dort jemand gelegen haben.
Wahrscheinlich ein Kind.
Aber welches?
Das wußte ich nicht. Mir fehlten die Informationen. In dieses Verlies drang kaum frische Luft. Dementsprechend abgestanden, muffig und modrig roch auch die alte. Sie legte sich schwer auf die Lungen, und ich hoffte, daß ich nicht allzu lange hier
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