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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Wirtshäuser oder zogen als Holzfäller oder Kellner davon, die Frauen
blieben mit den Kindern zurück. Und das Kinderkriegen war immer mit Schande verknüpft
gewesen, auch wenn man als Verheiratete die Schürzenmasche stolz auf der rechten
Seite tragen durfte. Die Ida, ihre Schulfreundin, hatte nach Südtirol geheiratet
und sechs Kinder vom Lorenz bekommen. Aber nach jeder Geburt hatte die Ida vor der
Kirchentür auf Knien rutschen und den Herrn Pfarrer um Vergebung für ihre Unkeuschheit
bitten müssen. So streng waren die Sitten damals im Tal hinter Sterzing gewesen,
als schon längst ein Mensch auf dem Mond gelandet war.
    Sie hätte
sich jetzt so gerne niedergesetzt und ausgeruht, ihre Beine waren um die Knöchel
dick angeschwollen und brannten. Aber die einzige Bank auf diesem langen Weg stand
erst direkt vor der Kapelle, also ging sie langsam weiter. Drunten in der nirostaglänzenden
Hotelküche mit den Raclettepfännchen und Milchschäumern und der blinkenden Mikrowelle
würden sie bestimmt schon nach ihr fragen. Eigentlich war die Küche ja das Reich
vom Edi, der dem ›Kaiserpark‹ schon im zweiten Jahr nach seiner Rückkehr eine Haube
erkocht hatte, sehr zur Freude des Hotelbesitzers, einer internationalen Kette mit
Sitz in der Schweiz. Aber es hatte sich herausgestellt, dass viele der verwöhnten
Gäste über Lachscarpaccio und flambierte Feigen an getrüffeltem Ziegenkäse nur wenig
erfreut schienen, ständig schwenkten sie ihre Reiseführer und fragten mit ulkiger
Aussprache nach ›Kasnoggen‹ und ›Holzhackerknodeln‹. Also war sie für die Hauptsaison
im Sommer an den Herd zurückgeholt worden, sehr zum Verdruss vom Edi, aber er hatte
ihr dann doch einen Platz an dem großen Küchentisch eingeräumt. Mittlerweile kamen
sie sogar ganz gut miteinander aus, sie hatte dem Edi ehrlich Respekt gezollt für
die vielen Tricks und Kniffe, die er im fernen Frankreich und in den Schweizer Nobelskiorten
gelernt hatte. Heute Abend würden sie für eine große Gesellschaft gemeinsam Forellen
aus dem See mit frischen Kräutern füllen und braten und als Nachtisch Palatschinken
mit Marillenmarmelade servieren. Mit Ende der nächsten Woche neigte sich die Hauptsaison
allmählich ihrem Ende zu, sie freute sich schon voller Erleichterung darauf. Dann
konnte der Edi wieder ungestört werken und von einer zweiten Haube träumen, und
sie konnte sich ihrem Garten und dem Stricken widmen. Sie seufzte wieder, diesmal
aus Erleichterung. Dann blickte sie auf und hielt inne.
    Die Kapelle
schien endlich zum Greifen nah, weiß schimmerten ihre gekalkten Mauern durch das
grüne Blattwerk. Aber die Bank davor war besetzt. Ein Mann saß darauf, halb abgewandt
von ihr, doch er war unverkennbar mit seiner hirschledernen Joppe und dem weißen
Haar, das den Nacken hinauf und rund um die Ohren militärisch kurz rasiert war,
nur auf dem Oberkopf ragten ein paar struppige Büschel zum Himmel. Ganz untypisch
zusammengesunken saß er da, und dennoch ging eine Aura von ihm aus wie von den herrischen
Bronzestatuen mancher Feldherren, die noch immer Befehle zu erteilen schienen. Sie
fühlte, wie Zorn in ihr hochstieg, der das Unbehagen hinwegspülte. Was hatte er
hier zu suchen? Saß da auf der Bank, wegen der sie den ganzen steilen Weg heraufgekommen
war. Hier hatte sie ausruhen und verschnaufen wollen, es zog sie immer wieder an
diese Stelle, schon seit ihrer Kindheit. Die Kapelle im Rücken, den See zu Füßen.
Dann war ihr alles immer leichter erschienen, die Sorgen und die viele Arbeit. Und
sie würde sich auch heute nicht vertreiben lassen, ganz bestimmt nicht, außerdem
war sie viel zu erschöpft vom Anstieg, um auf der Stelle umzukehren.
    Entschlossen
machte sie einen weiteren Schritt auf die Bank und die Gestalt darauf zu. Und noch
einen. Ein Vogel schrie hoch über ihr, ein Schatten streifte ihre Wange, erschrocken
hob sie die Hand, als ob sie ein Spinnweb fortstreifen wollte. Dann spürte sie es,
wie ein Prickeln in ihren Nasenlöchern. Den Geruch, der sie ganz plötzlich wieder
in die Tage ihrer Kindheit zurückversetzte. So lange hatte sie ihn schon nicht mehr
einatmen müssen, zum Glück. Sie stand da und hob ihren Kopf wie ein Tier, das die
Gefahr wittert und zur Flucht bereit war. Denn es roch nach Sauschlachten.
     
    *
     
    Eine knappe Stunde später hatten
sich die Schmetterlinge in den Wald geflüchtet, und die Taubnesseln am Wegesrand
waren von Autoreifen zerquetscht. Zwei schwitzende Männer in Uniform standen vor
der

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