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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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stattfinden sollte. Nichts. Noch immer keine Spur von ihren Kindern. Sabine fühlte sich, als hätte man ihr den rechten Arm amputiert.
    Sie legte auf und lief rastlos von Raum zu Raum. Eichenparkett, Bücherregale an jeder Wand. Erdgeschoss, vier Zimmer mit Gartenanteil. Eins davon nutzte sie als Arbeitszimmer, weil sich die Jungs auch nachts nicht trennen wollten und einander im Bett gegenseitig Abenteuergeschichten erzählten. Wie froh sie über diese Wohnung am Stadtrand gewesen war, wie erleichtert, dass es diese intakte, bürgerliche Umgebung noch gab, in der man sich zu Hause fühlen konnte! Diese vier Wände waren der Schutzraum gewesen, in dem ihr Herz nach dem Ende ihrer Ehe wieder heilen konnte. Sie hatten den Kindern Sicherheit geboten. Mit einem Schlag war das Gefühl zerstört worden. Und das Schlimmste war, dass sie selbst die Schuld daran trug.
    Sabine nahm den großen Stockschirm von ihrem Vater und trat in den Regen hinaus. Weil sie nur ein T-Shirt, Jeans und Stoffturnschuhe trug, wurde sie schon von der ersten Regenböe durchnässt. Sie spürte die Kälte nicht, nur die Angst lag ihr scharfkantig wie ein Stein im Hals. Eilig schritt sie den Gehweg entlang. Die Straße war verkehrsberuhigt. Hinter den schmiedeeisernen Zäunen lagen tropfende Büsche, stolze Villenfassaden, Kanzleien, Praxen, noble Einfamilienhäuser. Der Regen prasselte auf die Autodächer. Ich trage die Schuld, dachte sie verzweifelt. Ich allein, wenn meine Söhne tot irgendwo im Wald liegen. Am Samstag hatte sie sich fest vorgenommen, sich nicht einschüchtern zu lassen, schon gar nicht von einem Haufen hirnloser Verbrecher mit einem Moralkodex aus dem Mittelalter. Und als am Sonntag die Nachrichten von der Ermordung der beiden Russen und der Befreiung der Kinder über die Bildschirme geflimmert waren, hatte sie sich bestätigt gefühlt und ihren Artikel voller magerer Wahrheiten beendet. Um die Verbindungslinien zu ziehen, brauchte sie eigentlich nur noch die Freigabe der Polizeiberichte. Hatte der junge Polizist mit dem zerschlagenen Gesicht nicht auf Stuttgart Life sogar Klartext geredet, ganz entgegen der offiziellen Variante, die am liebsten alle Aktivitäten der Mafia im Ländle herunterspielte? Aber jetzt war aus der Drohung bittere Realität geworden. Und sie war so leichtsinnig gewesen, ihre Söhne heute allein in die Schule und in den Hort gehen zu lassen. Der Regen schaffte es bis unter ihren Schirm und mischte sich mit ihren Tränen. So kam es, dass sie an der Ecke zur Ausfallstraße die beiden Jungen nicht sah, die mit schlackernden Schulranzen einer nach dem andern in sie hineinrannten.
    »Mama!«, schrie Roman entrüstet. »Willst du mich mit dem Schirm erstechen?«
    Sie war so erleichtert, dass sie keine Antwort gab, sondern ihre Söhne nur fest an sich drückte. Klatschnass waren sie und rochen wie immer, wenn sie Sport gehabt hatten, ein bisschen nach nassem Hund.
    »Du weinst ja«, stellte der kleine Leon verwundert fest.
    »Nee, du Idiot. Es regnet bloß«, sagte Roman, der schon immer der Forschere von beiden gewesen war und seine Mutter im Grunde für unbesiegbar hielt. Sabine wischte sich mit ihrer freien linken Hand über die Augen. »Ich habe mir solche Sorgen um euch gemacht. Da kann das mal passieren.«
    Roman winkte großspurig ab. »Echt? Wir haben nur eine kleine Spritztour gemacht.« Sie spürte, wie ihr das Blut in die Beine sackte. Als sie ihn an den Oberarmen packte, flog ihr der Schirm aus der Hand. Eine Böe erfasste ihn und ließ ihn meterweit über den Gehweg fliegen.
    »Mit wem?«
    »Mit einem Auto, das war so was von geil.«
    Leon flitzte davon und fing den Schirm wieder ein, über den beinahe eine junge Mutter mit Kinderwagen gestolpert wäre.
    Ohne den Regen weiter zu beachten, dirigierte Sabine ihre Söhne an den Schultern bis zur Eingangstür. »Mit wem?«, wiederholte sie eindringlich, als diese hinter ihnen ins Schloss gefallen war. Sie standen im Flur, tropften aufs Parkett und sahen aus wie das wandelnde schlechte Gewissen.
    »Na mit den Männern natürlich.«
    »Welche Männer?«, fragte sie und hoffte, dass die Angst in ihrer Stimme nicht allzu stark durchklang.
    »Na, die Männer halt. Sie sagten, du hättest sie geschickt, damit sie uns bei dem Regen nach Hause fahren. Ist doch logisch, oder?«
    Die Beine knickten unter ihr weg, und sie sackte einfach an der Wand neben der Garderobe zu Boden.
    »Mama?«, fragte der kleine Leon, sank auf die Knie und musterte sie verunsichert.

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