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Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)

Titel: Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Kern
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Biegung.
    Laura wartete. Etwas würde geschehen. Auch sie hatte die Fernsehberichte am Samstag gesehen und wusste, dass der andere sich nicht umsonst dem Risiko aussetzte, mit ihr gesehen zu werden. Das Pflaster war inzwischen so heiß geworden, dass es ihm schon seine Schuhsohlen verbrennen musste.
    »Alessio wird mit den Jungs nach Kalabrien gehen.«
    »Bist du gekommen, um mir das zu sagen?«
    »Nicht nur.«
    Er zog eine kleine Schachtel aus seiner Jackentasche, eine Pillenpackung ohne Aufdruck, weiß, aus Pappe, unscheinbar. Laura konnte sich denken, was darin war. In der Zeit nach Giorgios Tod hatte sie sich genau diese Möglichkeit herbeigesehnt. Manchmal wurde man von seinen eigenen Wünschen eingeholt, wenn sie schon längst nicht mehr galten.
    »Du weißt, dass ich nicht dulden kann, was du getan hast?«, fragte er. Seine Lippen wirkten wie ausgebleicht. Das Gespräch nahm ihn sichtlich mit.
    »Was habe ich getan?«
    »Du hast Giorgio umgebracht.«
    Sie schwieg. Als wieder ein Wort über ihre Lippen kam, zitterte ihre Stimme. »Habe ich das? Und was hat das zu bedeuten?« Fragen stellen, wenn man die Antwort schon kannte, hieß nichts als Zeit schinden. Doch Zeit war nie kostbarer gewesen.
    »Kennst du das Wort Blutrache, Laura? Es heißt, dass du und dein Fleisch und Blut ausgerottet werden mit Stumpf und Stiel. Traditionen werden bei uns sehr großgeschrieben.« Über diese Dinge und ihre Konsequenzen hatte sie seit Jahren nachgedacht.
    »Giorgio war ein Schwein«, wandte sie ein. »Er hat Alessio und mich fast totgeprügelt. Aber das hat euch noch nie interessiert.«
    Er sah sie eindringlich an. »Ehefrauen sind gehorsam in unseren Kreisen, Laura. Sie fügen sich. Es hat Gerede gegeben über Giorgios Tod. Wie soll Alessio seinen rechtmäßigen Platz beanspruchen, wenn es den Verdacht gibt, dass seine Mutter seinen Vater getötet hat? Wie soll er den Makel von seinem Namen waschen?«
    Sie saßen noch ein Weilchen da. Der Tod, mit dem sie am Würfeltisch saß, hatte eine Glückssträhne.
    Laura nahm die kleine Schachtel und ließ sie unter der weißen Strickjacke in ihrem Schoß verschwinden.

48.
    Es war nicht mehr die Rede davon, dass Alessio allein nach Kalabrien geschickt werden sollte. Seit Samstag herrschte in dem Haus in Lobenrot hektische Aufbruchsstimmung. Die Jungs packten ein, was zu packen war, und bereiteten den Umzug und die Beseitigung der Spuren vor. Kurz vor Schluss zeigte das Haus sein wahres Gesicht als Hauptquartier. Fremde Clanmitglieder mit Autokennzeichen aus Ludwigsburg und vom Bodensee gaben sich die Tür in die Hand, nahmen ihre Anweisungen entgegen und verschwanden wieder. Alessio hätte nie gedacht, dass seinem Onkel die Umgebung einmal zu heiß werden würde, dazu funktionierte seine Tarnung zu gut. Nach außen hin lief die Firma auf dem Stuttgarter Großmarkt weiter wie bisher. Aber die Sache mit dem »Fallen Angel« hatte seine Pläne durchkreuzt. Irgendetwas war dort aus dem Ruder gelaufen.
    Als Alessio die Fernsehberichte gesehen hatte, ahnte er, was es gewesen sein konnte. Sie mochten keine Kinderprostitution, aber noch weniger schätzten sie es, hintergangen zu werden. Sie bestimmten die Regeln, und wer das nicht begriff, der hatte verloren. Massimo und Maria hatten sterben müssen, weil sie sich dem System aus Schweigen verweigerten, das die Mafia auf der ganzen Welt absicherte. Das zweite Opfer war Ölnhausen gewesen. Um den muss es dir nicht leidtun, hatte Kain gesagt, und Alessio wusste jetzt, warum. Dann waren die Russen dran gewesen. Er war sicher, dass sie insgeheim fieberhaft nach weiteren undichten Stellen im System suchten, nach Leuten, die mit Ölnhausen gemeinsame Sache gemacht hatten. Ein Gutes hatte das Ganze. Solange sie beschäftigt waren, vergaßen sie Alessio einfach. Das bedeutete zwar nicht, dass er fliehen konnte, aber er lief auf sehr bequeme Weise nebenher, fast, als sei er unsichtbar.
    Als er in die Küche trat, saß eine Runde von sechs Männern am Tisch, grobschlächtig, in Jeans, hemdsärmlig. Einige kannte er. Sie waren Kuriere, Fahrer, Helfer. Keiner von ihnen gehörte zum inneren Kreis. Sie hoben kurz den Kopf und führten ihr Gespräch dann leise in Kalabrisch fort, das er nicht verstehen konnte.
    Er schob eine Pizza in den Ofen und stellte sich ans Fenster. Es hatte zu regnen aufgehört. Wasser tropfte von den Bäumen, und die Büsche schimmerten in einem beinahe unwirklichen Grün. Nach kurzer Zeit erfüllte der Duft von geschmolzenem Käse

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