Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Sie würden wachsam sein. Wenn die Redakteurinnen des Schwabenspiegels die richtigen Schlüsse zogen, konnte sie das in Lebensgefahr bringen. Er wollte Leonie zwar warnen, aber er machte sich auch nichts vor. Hinter seinen guten Absichten steckte auch das Bedürfnis, sie zu sehen.
Über der kleinen Wohnstraße unterhalb des Klinikums spannte sich ein weißblauer Himmel. Fabian parkte den Saab vor der Garage und klingelte an der altmodischen Haustür. Drinnen hörte er den Mops mit den Krallen über die Fliesen klackern und erwartungsvoll bellen. Leander auf der Hüfte, öffnete Leonie einen Moment später und starrte ihn sprachlos an. Er hätte in ihren blaubraunen Augen ertrinken können.
»Fabian!«, rief sie entsetzt, zog ihn am Ärmel in die Küche und schob ihn auf einen Stuhl. »Das sieht ja schlimm aus. Warte, ich glaube, wir haben irgendwo noch ein Päckchen essigsaure Tonerde. Emine? Ach Mist, sie ist ja Einkaufen.«
Sie setzte Leander in den Hochstuhl, holte sich einen Schemel und öffnete den obersten Küchenschrank. »Lebkuchengewürz, das alte Geschirr. Warte, ich glaube, hier ist es.« Sie zerrte ein Päckchen hinter einer vorsintflutlichen Küchenmaschine hervor und sprang wieder auf den Boden. Sie verrührte das Pulver mit Wasser zu einer dickflüssigen, streng riechenden Paste und legte ihm einen kalten Umschlag aufs Auge. Als sie fertig war, setzte sie sich ihm gegenüber auf die Kante der Eckbank.
»Sebastian hat es uns erzählt«, begann sie. »Das mit diesem Club in Cannstatt und den Kindern. Es kam ja auch im SWR, aber ohne deinen Namen zu erwähnen und das Ganze der Mafia unterzujubeln.«
Er nickte. Sie fand die nötigen Worte schon ganz allein.
»Dann hat es Sebastian irgendwie auf den Lokalsender Stuttgart Life verschlagen. Und da standest du plötzlich vor der Kamera. Du hattest diese Kinder befreit.«
Vorsichtig drückte er das feuchte Tuch auf die schmerzende Stelle unter seinem Auge. Die Kälte schien tief in seine Haut einzudringen und tat ihm richtig gut. Aber vielleicht war es auch nur Leonies Gegenwart.
»Und, wie hast du das gemacht?«
»Mit Hilfe einer sehr toughen Stripperin«, sagte Fabian.
»Ich bin unheimlich froh, dass die Mädchen noch leben«, fügte er hinzu.
»Du hast sie sicher wieder im Alleingang befreit.«
Er zog die schmerzenden Schultern hoch. »Nein, mit Irina. Mitten in den Schlamassel zu stolpern, scheint meine Art zu sein. Aber damit ist jetzt Schluss. Heute Morgen hat man den Fall zum Dezernat für organisierte Kriminalität nach Stuttgart verlagert.«
»Organisierte Kriminalität – eine Nummer zu groß für euch, was?«
»Und genau deshalb bin ich hier«, fuhr Fabian fort.
»Du meinst, wegen meiner Fragerei über die Mafia?«, fragte Leonie. »Aber eigentlich ist es doch Sabine Marian, die recherchiert und deshalb im Fokus steht. Ich selbst bin nur ganz am Rand involviert. Und niemand kennt meinen Namen, weil ich neu in der Branche bin.«
»Trotzdem. Als wir am Samstag darüber gesprochen haben, war das Ganze noch Theorie. Jetzt ist das ›Fallen Angel‹ hochgegangen, und seine Betreiber wollen sicher nicht, dass jemand im Dreck herumstochert, egal ob Newcomerredakteurin oder Spitzenjournalistin.«
Leonie schaute ihn nachdenklich an. »Du hast Angst um mich.«
»Ich will dich nicht verlieren.«
»Ich gebe zu, dass ich mich ungern mit einem Gewicht am Fuß im Neckar wiederfinden würde«, erwiderte sie. »Hast du dir eigentlich schon mal Gedanken darüber gemacht, ob dieser ganze Mist zusammenhängen könnte? Das ›Fallen Angel‹, der Fall Ölnhausen und der Mord an Massimo und Maria Girolamo?«
»Der Doppelmord riecht nach einer Tat im Schutzgeldmilieu. Das passt zwar, hat aber erst einmal nichts mit dem ›Fallen Angel‹ zu tun.«
»Wer weiß«, sagte sie. »Aber ich habe noch etwas anderes herausgefunden. Massimo war so eine Art Informant für Sabine Marian. Er hatte ihr auch von dem Wahlbetrug mit Auslandsitalienern erzählt, den die ’Ndrangheta 2008 in Stuttgart angezettelt hat, um ihren Kandidaten in den römischen Senat zu hieven. Und jetzt scheint er neue Informationen gehabt zu haben.«
»Egal.« Entschlossen schob Fabian die Kompresse auf sein Auge. »Ich bin den Fall los, oder meinetwegen auch das Konglomerat an Fällen, und suche weiter nach einem simplen Handtaschenräuber. Und weißt du was? Vielleicht ist mir das auch ganz recht so.«
Der Mops kam heran und rieb seinen Kopf an seinem Knie. »Hey, Max«, sagte er und
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