Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Seite. Als er sich wieder gefangen hatte, hing an seiner Nase ein Faden Blut.
»Kain«, sagte Alberto mit einem Blick zur Seite.
Alessios Bruder zog Blankerts Kopf an den Haaren nach hinten. »Und, hat es dir Spaß gemacht? Mit den kleinen Mädchen?«
»Ich habe nicht …«, sagte Blankert mühsam. »Ich habe nichts gewusst.«
» Du willst uns wirklich weismachen, dass du nicht mitgekriegt hast, wie die Leute einen ganzen Kindergarten die Treppe raufgeschmuggelt haben? Einen Fickkindergarten?« Kain ließ Blankerts Kopf so abrupt los, dass er mit dem Kinn auf die Tischplatte knallte und rote Tropfen durch die Küche spritzten. Als er sich aufrichtete, lief ihm das Blut aufs Hemd. Alessio holte ein gebrauchtes Tempo aus seiner Jeans und wischte dem Mann ungeschickt über die Nase.
»Sie haben Angst«, hörte er sich sagen und schluckte, als er sah, dass Blankerts Augen sich hoffnungsvoll auf ihn richteten. Dann fuhr er fort. »Vor – uns, aber auch vor den Leuten, die das Geschäft mit den Kindern eingefädelt haben.«
Blankert nickte zögernd. Alessio hatte seine Verachtung gespürt, seit der Typ am Samstagabend hier hereingeschneit war. Blankert hatte sofort erkannt, dass er, trotz seiner Stellung als Neffe Albertos, ganz unten in der Hierarchie stand. Und doch vertraute er ihm jetzt, als Einzigem im Raum. Arme Schweine helfen armen Schweinen. Auf Cortese hatte Blankerts Verhalten eine unerwartete Wirkung. Er schaute Alessio an, als hätte er ihn nach fünfzehn Jahren das erste Mal richtig wahrgenommen. »È un esperto a sottoporre Blankert ad un interrogatorio« , hörte er seinen Onkel leise sagen. »Bravissimo.«
Alessio schluckte und sprach weiter. »Sie haben keine Wahl. Sie müssen es sagen.«
»Du meinst wohl, ich sterbe sowieso«, sagte Blankert leise. »Da ist es egal, durch welche Hand. Wenn es nur schnell geht.« Er schaute sich um. Seine Augen blieben an Kain hängen, der sich die Pizza aus dem Ofen geholt hatte und seelenruhig zu essen begann, und wandten sich dann Alberto zu.
»Knallhart, ihr Italiener, hmm?«
»Kalabrier«, sagte der Onkel stolz, als würde allein seine Herkunft ihn als Mann von Ehre ausweisen.
»Das erste Mal ist es tatsächlich hinter meinem Rücken geschehen. Das müsst ihr mir glauben.« Seine Augen heischten Zustimmung. Alessio nickte und fühlte sich schlecht. »Ich wusste, dass da ein Bedarf besteht, aber mein Ding ist so etwas nicht.« Er schnäuzte sich in das blutige Taschentuch. »Ölnhausen, das Schwein, hat die Russen bezahlt, die die Kinder aus dem Waisenhaus geholt haben. Wahrscheinlich haben sie den Verantwortlichen erzählt, dass hier Adoptiveltern auf sie warten. Und die haben das gegen Geld sicher gerne geglaubt. Zuerst ging das alles an mir vorbei, weil ich, wenn es rundging, oft gar nicht im Büro war. Dass sich die alten Säcke oben eine gewisse Türklinke in die Hand gaben, habe ich nicht mitgekriegt. Aber eines Tages standen drei kleine Mädchen in der Küche und verlangten auf Russisch was zu trinken.« Ein schiefes Grinsen stahl sich auf Blankerts Gesicht. »Conny hat jeder einen Becher Sprite gegeben, und ich habe mir Mischa vorgeknöpft.«
»Und dann hast du abgesahnt.« Kain wollte dem Verräter wieder ins Gesicht schlagen, aber Alberto hielt ihn zurück. »Lascialo dire quello che pensa!«
»Wer war es noch außer Ölnhausen?«, fragte er.
Aus Blankerts Gesicht wich alle Farbe. Dennoch beugte er sich vor, winkte Alessios Onkel zu sich heran und flüsterte ihm zwei, drei Namen ins Ohr. »Ich hatte keine Wahl.« Der Italiener nickte.
»Die drei Kinder, die der Bulle aus Mischas Keller befreit hat, die waren die dritte Lieferung. Nicht aus dem Waisenhaus. Das waren verkaufte Kinder.«
»Und was ist aus den anderen Mädchen geworden?«, fragte Alessio. Er fühlte sich mit ihnen verbunden. Auch über sein Leben bestimmten andere.
Blankert zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Weitergegeben, verramscht. Die Kunden wollten immer Neuware.«
Alessio wurde schlecht. Noch ein Wort, und er würde in hohem Bogen in Onkel Albertos schicke Einbauküche kotzen. Kain starrte Blankert nachdenklich an.
»Was machen wir jetzt mit ihm?«
Der Onkel sagte nichts, sondern zog den Verräter vom Stuhl, dem die gefesselten Arme wie zwei Fremdkörper über den Rücken hingen. »Aber ich habe doch geredet«, protestierte er. »Das könnt ihr nicht mit mir machen!«
»Komm!«, sagte der Onkel. Kain lud seine Waffe durch und ließ sich vom Fensterbrett auf
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