Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Rand der Badewanne aufgeschlagen.
»Nehmen Sie Leander!«, sagte Leonie, drückte Frau Hegele das Kind auf den Arm und näherte sich der Badewanne. Als sie den Hahn abgedreht hatte, wurde es plötzlich ganz still. Das Wasser stand bestimmt drei Zentimeter hoch auf den Fliesen und dümpelte durch die offene Tür in Richtung Flur.
»Frau Cortese?«
Keine Antwort. Leonie hörte ihr Herz tief in der Kehle schlagen. Vorsichtig drehte sie Laura Cortese auf den Rücken. Sie war verteufelt schwer. Ihr Gesicht, blass, kalt und starr, lag nicht im Wasser. Wie konnte man da ertrinken?
»Lebt sie noch?«, fragte Frau Hegele leise. Leander schaute Leonie mit großen, dunklen Augen zu.
»Ich weiß es nicht«, wisperte sie und fühlte im Halsbereich nach dem Puls. War da etwas? Ein schwaches, ungleichmäßiges Klopfen an ihren Fingerspitzen? In diesem Moment entdeckte sie auf dem Stuhl neben der Badewanne die Schachtel und das leere Glas und erschrak sich zu Tode. Daneben lag ein Küchenmesser. Laura lebte, aber wie lange noch?
»Rufen Sie den Notarzt! Schnell!«, rief sie Frau Hegele zu.
Wie ging das noch mal mit der Mund-zu-Mund-Beatmung? Ihr Erste-Hilfe-Kurs lag so lange zurück, dass sie fast alles vergessen hatte. Aber wenn sie nichts tat, würde die bewusstlose Frau sterben. Plötzlich stand ihr alles ganz klar vor Augen, fast so, als würde ihr Fahrlehrer die Puppe beatmen, über die sie sich vor zehn Jahren mit Jonas lustig gemacht hatte. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und drückte mit übereinandergelegten Händen ruckartig auf Laura Corteses Oberkörper. Einmal, zweimal, dreißigmal. Dann überstreckte sie den Kopf, bis sich der Mund öffnete und pustete der Bewusstlosen ihren Atem hinein.
»Atme!«, rief sie. »Atme schon!«
Nichts. Lauras Kopf sackte zur Seite. Geistesgegenwärtig bewahrte sie ihn davor, in die Wasserlache zu kippen. Leonie führte die Herzdruckmassage und die Mund-zu-Mund-Beatmung fort, quälend lange. Ihre Arme schmerzten. Unter ihren Augendeckeln tanzten bunte Lichter. Und noch immer zeigte Laura keine Reaktion. Mir wird schlecht, dachte sie, und der Badezimmerschrank begann, sich mit der Wanne um die Wette zu drehen. Sie kamen, kurz bevor Leonie an Lauras Seite ohnmächtig wurde. Plötzlich füllte sich der Raum mit Rettungsassistenten in orangefarbenen Uniformen, deren reflektierende Streifen vor ihren Augen verschwammen. Hinter ihnen drängte sich der Notarzt mit seiner großen Tasche in den Raum.
»Lassen Sie mal sehen!«, sagte er und warf einen prüfenden Blick auf die Bewusstlose und dann in Leonies aschfahles Gesicht. »Kümmer du dich um die Ersthelferin!«, rief er einem der Rettungssanitäter zu, der Leonie beim Arm nahm und aus dem Badezimmer führte. Als sie im Flur stand, holte Laura Cortese rasselnd Luft, hustete und erbrach sich auf die überschwemmten Fliesen. Der Druck wich von Leonie, als hätte jemand einen Felsblock von ihrer Seele gerollt.
»Gut gemacht!«, sagte der junge Rettungshelfer, legte Leonie eine Decke um die Schultern und setzte sie in Corteses Wohnzimmer auf einen Sessel. »Die Frau haben Sie wohl gerettet.«
»Aber sie hat Tabletten geschluckt.« Sie spürte, wie sie zu zittern begann.
»Wir kümmern uns schon um sie, keine Sorge.« Der junge Mann lächelte ihr beruhigend zu.
Leander saß noch immer auf Frau Hegeles Schoß, streckte seine Arme aus und wollte unverzüglich zu seiner Mutter. »Ach Leander. Ich bin klatschnass.« Nicht nur ihre Schuhe, sondern auch die Jeans und die kurzärmlige Bluse waren komplett durchnässt.
»Lass die Mama noch a weng in Ruhe, Bubele«, empfahl Frau Hegele und stand mit ihm auf. Sie wandte sich der Schrankwand zu und zeigte auf die Bilder, die die Familie Cortese in glücklicheren Tagen zeigten.
»Mir könnet uns die Fotos aschaue. Schau amal: Des da isch der Alessio, wie er kloin war. Der het grad so ausgsehe wie du.«
Erschöpft schaute Leonie in ihre Richtung und erstarrte.
51.
Als Fabian am Dienstag um neun Uhr in die Polizeistation kam, traf er im Flur auf Irina in ihrem grauen Kapuzenshirt. Sie war in Begleitung von Milena Donakova, die Ende letzter Woche aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Die beiden schienen Ölnhausens versiegelter Villa in Polizeibegleitung einen Besuch abgestattet zu haben, um Milenas Sachen abzuholen. In Jeans, weißem Top und goldenen Sandaletten wirkte sie top gestylt und herausfordernd sexy.
»Wir wollen eine Aussage machen«, sagte Irina. »Vielmehr Milena. Ich
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